Pfui, Paul, pfui!

Kennen Sie das Bedürfnis, einem Mann im Vorbeigehen einfach „Aus!“ zuzurufen? Ich halte Männer keineswegs für Hunde, aber manchmal ist es so sinnlos mit Ihnen zu diskutieren, dass ein einfaches „Aus!“ alles beinhaltet was man sagen möchte. In scharfem, aber ruhigen Tonfall ausgesprochen, damit er es auch versteht. Der Hund. Oder eben der Mann. Mein Nachbar Paul ist so ein Hundemann. Einer, der einen in Situationen bringt, in denen man gerne nur ein Wort sagen möchte. Auch und ganz besonders um den Rüden vor einer dummen Handlung zu bewahren. 

Da steht er – wäre er ein Bernhardiner, schwanzwedelnd und sabbernd, als Mann einfach nur mit verzücktem Gesichtsausdruck – vor den Briefkästen und glaubt, dort die Lösung seiner Probleme vor sich zu haben. Ich verstehe ihn durchaus. Es ist der 24.12. und man möchte jetzt eigentlich keinen Stress mehr haben. Hunde und Männer mögen Stress ja schon im Alltag nicht und würden sich hl. Abend gerne vor oder auf dem Sofa einrollen, bevor sie das Frauchen füttert. Weder Hund noch Mann möchten bei so einem Sauwetter wie heute raus. Paul sehe ich es am Gesicht an und dem Hund neben mir an den aufgestellten Nackenhaaren. Es schüttet und windet und wenn sich irgendeine Möglichkeit bietet, den Gang nach draußen zu vermeiden, dann ist sie sehr willkommen. Der 11 Jahre alte Rüde an der Leine hat noch nicht gelernt die Toilette zu benutzen und sieht mich müde an. Ja, wir müssen raus, er sieht es ein. Das Männchen vor den Briefkästen dagegen, strahlt und wittert seine Chance genau das nicht mehr zu müssen. Und dann sage ich es. „Aus!“ Sage es zu beiden, weil einer blöder als der andere ist. Der eine kapiert es und zieht die Schnauze aus dem abgestellten Mülleimer von Frau Obst zurück, der andere sieht mich fragend an. „Nein!“, ergänze ich deshalb und wünsche mir eine zweite Leine, an der ich Paul zurück ziehen kann. Weil ich die nicht habe muss ein scharfes „Pfui!“ reichen. 

Ganz ehrlich, so doof wie Paul hat mich der Hund noch nie angesehen. Der ist aber auch noch nie auf die Idee gekommen, seine Last Minute Weihnachtsgeschenke vor den Briefkästen stehend zu besorgen. Ich muss es meinem Nachbarn tatsächlich erklären und tue es nur, weil ich gelernt habe, dass ein „Aus, Pfui, Nein“ auf Dauer nur Sinn machen, wenn Hund oder Mann verstehen, warum sie Finger oder Schnauze von etwas lassen sollen. Das Fellknäul kann ich mit einem Ruck der Leine vom verlockenden Duft der Rattenfalle zurück ziehen, Paul dagegen, muss ich es erklären und glauben Sie mir, viel lieber würde ich ihm einfach auf die Finger klopfen. Denk nicht mal dran, sage ich, schüttle den Kopf und strahle ihn an, weil ich ein wenig stolz auf meine hellseherischen Fähigkeiten bin. Fünfzig Euro darauf gewettet, dass Paul noch kein Geschenk für die Brünette hat. Die geht seit November bei ihm ein und aus und über sechs Wochen Beischlaf, das weiß auch Paul, müssen mit einem Geschenk honoriert werden. Einem dass er heute, am Morgen des 24. Dezembers noch nicht hat. Mein blödes Grinsen kann ich mir sparen, meint er und lässt den Blick über die Bücher auf den Briefkästen gleiten. Da ich die Hälfte davon selbst mit dem Schild „zu verschenken“ hingestellt habe, weiß ich, dass kein romantisches dabei ist. „Aus!“, sage ich als Paul zum „Mann mit der eisernen Maske“ greift. Es ist zu abgegriffen und auch nicht schön zum lesen. Und „Pfui“ zu den abgelaufenen Pralinen und der verbogenen Stehlampe. 

In unserem Haus würde niemand auf die Idee kommen, Inserate unter der Rubrik „Zu Verschenken“ aufzugeben. Alles was wir nicht mehr brauchen, stellen wir auf, unter und neben die Briefkästen. Früher oder später nimmt es einer mit. Und wenn es gar keiner will, dann wird es noch mit bösen Zetteln von Frau Obst versehen die es als Müll kennzeichnen und als Hinweis für den Hausmeister gelten, es endgültig zu entsorgen. Niemand, aber wirklich niemand würde auf die hirnrissige Idee kommen, dass sich unter all dem Zeug ein Weihnachtsgeschenk befinden könnte. Nicht, wenn man den Menschen, dem es überreicht, wertschätzt oder gar liebt. Unsere Ebay-Briefkasten Ecke fällt eher unter die Kategorie „Schrottwichteln“ und abgesehen von den Büchern frage ich mich wer dort allen ernstes etwas brauchbares findet. Ich vermute, dass es die vielen Studenten aus dem Hinterhaus sind, die den Tischgrill, die Leselampe, das Massagegerät und die Heckenschere brauchen konnten. Sollte Paul sich hier aber für Weihnachten bedienen, wird er bis weit in den Frühling hinein keinen Sex mehr haben. Nicht mit der Beschenkten. Er ahnt es und ich drücke ihm die Hundeleine in die Hand. Eine mindestens 45 Minütige Runde durch den Regen im flotten Tempo gegen ein hübsches Geschenk. Paul strahl. Ich auch. Auch der Tauschhandel blüht in unserem Haus. 

Ich weiß nicht, ob Pauls aktueller Flamme mein Geschenk gefallen wird. Besser als die Angebote auf dem Briefkasten ist es aber allemal. Ich habe mich für Pralinen (innerhalb des Verfallsdatums, Fleur de sel und eine wirklich schönes silbernes Bettelarmband entschieden. Letzteres bekam ich von einem Mann geschenkt, von dem ich mich drei Tage später Türen knallend trennte. Es ist ungetragen und ich habe es bisher nicht weitergeschenkt, weil ich Angst habe, dass es das Karma der unschöne Trennung beinhalten könnte.  Bei der Halbwertszeit von Pauls Beziehungen, muss ich mir darum aber keine Gedanken machen. 

27 Gedanken zu “Pfui, Paul, pfui!

  1. Griaßdi Mitzi!

    Da Paule is scho a Hund!..:-)
    „Wias hoid manchmoi san, de Mannsbuidl! Schlawina, Schtenzn,
    Hoodalumpn, Zipfeklatscha, Aufschneida, Schtrieze, Grantla!
    Aba wenns a Bussal woin, danna voins uns Weiwa voa de Knia!“,
    daad doo d’Moosederin gwieß soong..;-D

    A griabige Weihnachtsmusikalie für di:
    … 🎶 https://tinyurl.com/y7rsvq73 🎶 …
    Lass‘ da guad geh! ✨ ✨ ✨

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  2. Ihr habt da aber auch interessantes Zeug stehen. Wir haben da höchstens mal unabgezeichnete Pakete herumliegen. Der Raum um die Briefkästen herum, ist bei uns aber auch aus Brandschutzgründen gesperrt zum Ablegen von Dingen.

    Das beste was ich mal vor die Tür gestellt habe waren Stadtpläne und Reiseführer aus den 70er, 80 und 90ern… Die gingen weg wie warme Semmel. Es scheint viele Zeitreisende unter uns zu geben

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    1. Ich bin mir sehr sicher, dass die Brandschutzgründe bei uns auch gelten. Deswegen haben wir keinen Mülleimer mehr unter den Kästen stehen. Was den Rest betrifft, hält sich nur keiner daran.
      Ich finde es eigentlich ganz gut. Wer was brauchen kann nimmt es sich und der Rest kommt endgültig weg. Reiseführer würden bei uns sicher auch gut gehen.

      Guten Rutsch!

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  3. Eine vorzügliche Idee, der Geschenkeladen bei den Briefkästen. Und auch kein schlechtes Gewissen, dass der Lieferservice die Straßen verstopft. Vom armen DHL-Boten, der sich beladen wie ein Maultier, die Treppen zu mir hoch quält ganz zu schweigen … 😉

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  4. Es ist doch irgendwie falsch, wenn die Hälfte der Welt, die weiß, was zu schenken ist, sich von der Hälfte beschenken lassen möchte, die möglicherweise nicht ans Schenken denkt, häufig aber weder über Geschmack noch über die Lust zu stundenlangen Shoppingtouren mit den andren ahnungslosen

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    1. Es ist ein Graus, die Schenkerei und der damit verbundene Stress. Ich habe einen Freund dem ich seit Jahrzehnten immer etwas schenke und er mir nie. Das ist völlig in Ordnung und stört mich kein bisschen, weil mir seine Freude reicht.
      Würde mein Partner mir nichts schenken, wäre ich aber so enttäuscht und vor den Kopf gestoßen, dass ich es nicht verbergen könnte. Sein Glück ist, dass ich mich wirklich über alles freue, solang nur eine Schleife daran gebunden ist. Schrecklich.

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  5. Mit „Aus und Pfui“wären eine Menge fruchtlose Diskussionen zwischen Männern und Frauen elegant abgekürzt. Eine charmante Idee. Wahrscheinlich steigt die Beziehungsdauer aber mit der Menge an ausgetauschten Wünschen an den jeweils Anderen. Eine echte Zwickmühle.

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    1. Es müssten schon zwei sein, die sich wirklich gut verstehen, damit sie ein „Pfui!“ als nett gemeinten Hinweis auffassen. Praktisch wäre es und vielleicht sogar aussagekräftiger als drum herum Gerede. Paul fand es nicht so toll…

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      1. übrigens hab ich auch einen paul als nachbarn hab ich gestern festgestellt. bloß dass mein paul irgendwie glaube ich nicht besonders nett ist. zumindest ist er nicht zum grüßen & reden zu bewegen.

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