Post Problem

Jedes mal, wenn ich auf den Nachbarsjungen aufpasse, spielen wir Post. Schnell hat der Knirps begriffen, dass ich für Ninjago  zu dämlich bin (googeln Sie es, ich kann Ihnen beim besten Willen nicht sagen, worum es geht) und ihm bei Memory so hoffnungslos unterlegen bin, dass es keinen Spaß macht. Unsere Schnittstelle ist die Spielzeugpost, die heute noch genauso aussieht, wie in meiner Kindheit. Da kenn ich mich aus und da kommen wir uns nicht in die Quere, weil ich gerne Kunde und er gerne Postbeamter ist. Postbeamter will ich nicht mehr sein. Nicht mehr, seit ich im echten Leben Kunde und mit dieser Gattung des Beamten konfrontiert bin. Wenn Sie selbst schon mal ein Paket aufgegeben haben oder – bei weitem schlimmer – eines abholen wollten, dann wissen Sie warum. Es ist mir unverständlich, dass ich mit Vierjahren überzeugt davon war, eine Karriere im Postamt einzuschlagen. Ich war ein schlaues Kind und hätte ahnen müssen, dass man mich dort nicht gewollt hätte und ich nie eingestellt worden wäre. An der Hand meiner Mutter, in der langen Schlange stehend, hätte es mir klar sein müssen. Schon damals, konnte ich nämlich nicht langsam gehen. Springen, hüpfen und rennen – das waren meine Fortbewegungsarten. Heute springe und hüpfe ich weniger und renne nur noch, wenn ich den Bus erwischen oder drei Kilo abnehmen muss. Langsam gehen oder gar schlendern kann ich aber noch immer nicht und das ist Einstellungsbedingung für einen künftigen Postler. Auf der Homepage steht das nicht, aber ich habe mich schlau gemacht. Letzte Woche betrieb ich eine knappe Stunde lang Feldforschungen und habe begriffen – schlendern und nur schlendernd darf sich ein Postbeamter fortbewegen.

Er schlendert zum sich öffnenden Schalter. Nimmt er dabei zu viel Fahrt auf, dann bleibt er, um die Durchschnittsgeschwindigkeit nicht zu erhöhen, bei einem Kollegen stehen und wechselt ein paar Worte mit diesem. Vorzugsweise mit einem, der eigentlich gerade einen Kunden bedient. Auch hier scheint es Vorgaben zu geben. Eine zu schnelle Abfertigung ist nicht erwünscht. Sie könnte dazu führen, dass sich die bis auf die Straße reichende Schlange wartender Kunden verkürzt und so falsche Erwartungen weckt. Man plaudert. Man lacht (nicht die Kunden, versteht sich). Man versichert sich, dass heute wieder einmal die Hölle los ist. Mit einem letzten Seufzen wendet sich der eine wieder dem Kunden zu, der andere schlendert zu seinem Schalter. Gähnt, seufzt und merkt, dass er nicht auskommt. Er muss diesen Idioten der da vor ihm steht wohl oder übel bedienen. Oder auch nicht. Der hat so lange gewartet, der kann jetzt auch noch warten, bis die Tastatur des Terminals mit einem Spray gereinigt wurde. Auch das ein Zwischenschritt um sich den Schnitt bedienter Kunden nicht zu versauen. Ich vermute der Betriebsrat hat hier eine Obergrenze vorgegeben. Weckt keine Erwartungen an Euch, haltet den Ball flach. Den Kunden ist es egal, die warten, das sind sie nicht anders gewöhnt. Dann wird die Abholkarte in Augenschein genommen. Die Brille von der Stirn auf die Nase geschoben und langsam, das ist wichtig, ganz langsam schlendert der Postbeamte dann zu einem Regal, von dem der wartende Kunde annimmt, dass sich in den Schubfächern darin sein Paket befindet. Im ersten nicht. Auch nicht im zweiten. Nach einem bösen Blick, der dem Kunden über die Schulter zu geworfen wird, bewegt (naja…nähert sich an) der Beamte sich zu einem weit entfernten Raum. Wenn man Glück hat kommt er wieder. Hat man Pech raunzt einen ein anderer an und fragt was man will. Ein Paket? Ohne Abholkarte blöd? Die hat der Kollege? Welcher? Der lahmarschige mit der hässlichen Brille! Das Paket kann man dann vergessen.

Ich bezahle seit einigen Wochen meinen Nachbarn Paul, damit er die Pakete in der Post abholt. Man bedient mich dort nämlich nicht mehr seit ich erklärt habe, was ich von ihrem Saftladen halte. Blöd ist das schon, da ich ja auch zum DHL Boten ein zerrüttetes Verhältnis habe, seit ich eine Einladung zum Abendessen abgelehnt habe und es mir jetzt auch mit dem Hermes-Mann verdorben haben. Der wirft mir zwar die Abholkarten noch ein und oft habe ich Glück und das Paket ist bei einem Nachbarn. Dann spare ich es mir Paul fünf Euro für den Botengang in die Hand zu drücken. Pech habe ich allerdings, wenn ich mit dem Nachbarn nicht per Du bin. Dann beginn das heitere Rätselraten. Ich kurble jetzt wieder vermehrt den lokalen und vor allem stationären Einzelhandel an. Jetzt muss ich aber erst einmal eine Julia suchen…

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26 Gedanken zu “Post Problem

  1. HAHA, kenne ich alles. Am besten gefällt mir, wenn Abholzettel auf denen eine völlig andere Adresse steht tage- und wochenlang an der Eingangstür zur Straße hängen. Der arme Mensch, dem das Paket gehört, wird nie erfahren, dass es angekommen ist.

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    1. So einen Zettel habe ich schon mal zur angegebenen Adresse gebracht. Danach war ich mir aber nicht sicher ob ich zu Ende gedacht habe. Der Abholnachbar war vielleicht in unserem Haus, was ich nicht überprüft hatte und noch extra hätte vermerken müssen.

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  2. Die Paketauslieferfahrer haben es nicht leicht, ganz klar. Aber als ich das letzte Mal einen Zettel im Briefkasten hatte mit der Angabe: Paket ist beim Nachbarn, da tippte ich mir ganz leicht an die Stirn. Sechs Stockwerke, je 20 Parteien – der Anfangsbuchstabe des Nachbarn hätte schon etwas geholfen.

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    1. Außer Frage, dass die armen DHL und Hermes Boten unter großem Druck stehen. Die Kreativität der Abholkartenbeschriftung ist dennoch erst dann lustig, wenn man sein Paket in Händen hält. „Bei ihrem Nachbarn“ hatten wir hier im Haus auch schon einmal. Man lernt seine Nachbarn zwar bei der Suche kennen, aber schön ist es nicht.

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  3. Ich lasse zur Arbeit liefern. Dort kommt genug an, um den DHL Boten nicht aus der Übung kommen zu lassen. Er nimmt sogar Rücksendungen mit.
    Wenn ich selbst was verschicke, nutze ich meist die Abholstation, die sich ohne zu Murren auch als Abschick-Station nutzen lässt.
    Dennoch ja, lange Schlangen im Postamt kenne ich auch noch. Das muss wohl so sein. Inzwischen hat es sich aber aus-gestanden, weil die Postämter in unserer Gegend alle zu machen und in Zeitungsläden oder beim Bäcker Servicepoints öffnen. Früher brauchte man um Schalterbeamter zu werden mindestens mittlere Reife, heute darf das jede Zeitungsverkäuferin machen.
    Kopf hoch! Es wird alles besser! 😉

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    1. Das ist eine gute Idee! Die werde ich übernehmen. Es ist auch meine letzten Chance mir noch etwas liefern lassen zu können. Das die Postämter ganz schließen ist natürlich noch schlimmer, als eine Schlange in Kauf nehmen zu müssen. Die Servicepoints haben bei uns zwar ganz reizende Mitarbeiter, aber schreckliche Öffnungszeiten.
      Alles wird besser…..ich will dir glauben 😉

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  4. Hallo Mitzi, ich fand ja das mit dem Nachbarjungen am besten, denn über unseren Post- bzw. Paketzusteller kann ich wirklich nur Gutes sagen.
    Aber das mit Memory kenne ich – und je älter ich werde, desto schlechter wird mein Gedächtnis. Ich decke immer mit Methode auf – die Kinder greifen wild irgendwo hinein – WIE soll ich dann diese Karte finden, wenn ich die andere umdrehe???
    Und beim Postspiel dachte ich sofort an PalimPalim und Pommes in Flaschen. So hättest du mal den kleinen Postboten verwirren sollen.
    Herzlich Clara

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    1. Guten Morgen Clara, ja PalimPalim ist ein schöner Gedanke im Zusammenhang mit…..ok, keine Post, aber mit der Verzweiflung zwischen Kunde und Angestelltem. :).
      Memory müssen wir vermutlich hinnehmen. Die Kleinen sind einfach besser. Es sei ihnen vergönnt. 🙂 (behaupten wir wenigstens).

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  5. Oh, liebe Mitzi,
    Sie gießen gerade ne Menge Öl in mein Feuer!
    Post, DHL, Packstation – entweder entwickelt die Pharmaindustrie bald etwas dagegen, oder ich fahre lieber selbst mit dem Fahrrad zu den Lieferanten, bei denen ich etwas bestelle. Und wenn’s irgendwo in Europa ist.

    Postämter gibt es ja gar nicht mehr. Das sind ja nun Postbank-Finanz-Center, die sehr unwillg nebenbei Briefmarken verkaufen.
    Und wenn ich dort anstehe, um mein Paket abzuholen, was gar nicht erst versucht wurde, bei mir abzuliefern, sondern GLEICH die Abholkarte eingeworfen wurde, dann steht dort eine Schlange bis auf die Straße, weil genau in der Hauptverkehrszeit, wenn Normalbürger Feierabend haben, dort von 3 Schaltern nur einer besetzt ist. Die öffnen nicht EINE Sekunde vor 15:00Uhr und schließen aber exakt 20 Sekunden VOR 18:00Uhr und der Rest der Schlange, der dann noch auf der Straße steht, wird brutal abgeschnitten.
    Kommen sie morgen wieder – das habe ich 4x gehört, weil mein Paket nicht aufgefunden wurde.
    Es hat aber auch niemand danach gesucht – WEIL sie im Postfinanzcenter ja NICHTS mit DHL zu tun haben. Ich habe da jetzt auch Hausverbot, weil ich mit vorgehaltenem Regenschirm die Herausgabe meines Paketes erzwungen habe. (Es lag dort einfach so rum, weil der DHL Fahrer vergessen hatte, es von einem gestressten Postfinanzcentermitarbeiter vereinnahmen zu lassen. Und die suchen NUR im System NICHT in der Lagerhalle. Was nicht im System ist, existiert einfach nicht.
    Nach meiner Gewaltandrohung hat sich dann jemand in die Halle begeben und mein Paket gefunden, aber nicht ohne zu betonen, dass das nicht seine Aufgabe sei!

    Das ist nur ein Erlebnis von vielen. Ich stehe kurz davor, eine Selbsthilfegruppe für Postkunden zu gründen.

    Gruß Heinrich

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    1. Lieber Heinrich, ich melde mich hiermit als erstes Mitglied der Selbsthilfegruppe an. Mit Ihnen gemeinsam in einem Stuhlkreis zu sitzen und zu wissen, dass in dieser Runde Menschen sein werden, die genau wissen, was ich selbst durchgemacht habe….ein tröstlicher Gedanke.
      Halten Sie durch! Wenn wir die Post überstehen, dann kann uns nichts mehr den Boden unter den Füßen wegreißen. Wir schaffen das.
      Sie sehen, ich übe mich in Optimismus. Selten fällt es mir so schwer.
      Herzliche Grüße
      Mitzi

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  6. Wenn ich deine Beobachtungen so lese könnte man meinen die Postbeamten meiner Filiale seien auf Koks 😀 Vielleicht bin ich da gerade einem sehr dunklen Arbeitsgeheimnis auf die Spur gekommen. Unsere Beamten mögen Hunde, vlt könntest du dir für jeden Marsch zur Post den Nachbarshund kurz ausleihen und so Eindruck schinden?

    Ps: Die wahre Post Odyssee beginnt in Dublin, die schmeißen die Abholerkarten meistens nicht ein oder viel zu spät, die Filialen sind meistens geschloßen (obwohl sie eigentlich aufhaben sollten, laut Öffnungszeiten) und man kommt sehr selten mit den öffentlichen Nahverkehrsmitteln hin.

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    1. Uhhh…. Drogen im Postamt….dann aber eher bekifft bis zum geht nicht mehr. Ich kenne mich mit Koks nicht aus, aber so träge wie die sind, tippe ich eher auf Gras ;).
      Ok, Dublin ist noch schlimmer, den Hund leihe ich mir trotzdem gerne aus.

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  7. In dem Laden, der als Postauslagerungsstelle fungiert, kann ich auch Lotto spielen. Sobald ich 6 Richtige habe, werde ich die Klitsche kaufen und einen Mitarbeiter einstellen, der ausschließlich mich betreut … 😉

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  8. Das ist mir auch schon aufgefallen: Was Postler untereinander zu besprechen haben während der Öffnungszeiten, das muß so unglaublich wichtig sein – als Kunde kann man froh sein, wenn sich eine Unterhaltung zwischen ihnen in Gelächter auflöst, das kann nur gut sein für die anwachsende Schlange der Wartenden.
    Als ich einmal ein Päckchen in der auf der Karte angegebenen Filiale abholen wollte und man nichts fand, riet man mir, ich solle es doch mal in der Filiale Soundso-Straße versuchen. Da war es auch nicht, aber ich rechnete hoch: Wenn es nach Ansicht der Beamtin … quatsch, Schreibwarengeschäftsangestellten möglich war, daß der Zulieferer einfach die Filiale verwechselt hatte, warum sollte es dann nicht die nächste sein? Ich zog mit meinem Rad immer größere Kreise, und in der vierten Filiale erhiehlt ich mein Päckchen. Ich war überglücklich – ein Gefühl, das ich ohne den Zusteller nicht erfahren hätte. Wahrscheinlich sollte ich dankbar sein.

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    1. Dieses Gefühl kenne ich, wenn ich in eine Parklücke komme, die ich bei acht Runden um den Block für zu klein befunden habe und resigniert und verzweifelt dann doch bezwinge :).
      Kompliment für so viel Ausdauer.

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  9. Einmal , da war mir die Unfreundlichkeit der Postbediensten dann doch zu viel, fragte ich sie um ihren Namen, da legte sie den Schalter um und war unglaublich freundlich. Nur leider hielt diese Freundlichkeit ca. während zwei meiner Besuche an.

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