Paul parkt draußen

Googel sagt, dass die Liebe zum Auto bei Männern wie eine Kombination aus Sex und Drogen wirken kann. Wenn das stimmt, dann möchte ich nicht wissen, auf welchem Trip sich der Besitzer dieses Autos vor einigen Jahren befunden hat. Obwohl es mich nicht interessiert, muss ich darüber nachdenken. Warum um alles in der Welt, fährt man eine Mausefalle im Kofferraum durch die Gegend. Ich frage nicht nach, weil ich weiß, dass die Liebesbeziehung eines Mannes zu seinem Auto, den zwischenmenschlichen Liebesbeziehungen häufig sehr ähnlich ist. Meine Freundin erkundigt sich ebenfalls nicht weiter, sondern lächelt nur. Es wäre sicher eine schöne Geschichte, überlegt sie und ich nicke. Ja, eine jener Geschichten, die man besser nicht weiter erzählt. Obwohl….ein Mann der gleich acht statt der vier vorgeschriebenen Rettungswesten im Kofferraum transportiert, für den Notfall zwei Abschleppseile und zwei Startkabel im Fußraum liegen hat, der muss ein sehr fürsorglicher Mann sein. Einer der mitdenkt und praktisch veranlagt ist. Doch, ich muss mich korrigieren, die Geschichte der Mausefalle im Kofferraum würde mich sehr interessieren. Ganz ohne Zweifel kann so eine Geschichte nur zu einem Mann gehören, den ich mögen würde. So wie ich sein Auto schon jetzt mag. Es ist solide und ohne Schnickschnack. Ein bisschen wie ich. Tief im Inneren versteckt sich etwas großartiges. Etwas, das man erst erkennt, wenn man ganz genau hinsieht. Auf den ersten Blick sind das Auto und ich unscheinbar. Mehr noch, wir sind schrecklich schlicht und einfach. Den Zugang zu uns, den muss man erst einmal finden.  

Gar nicht so leicht. Ich stehe etwas blöd vor dem kleinen, blauen Auto, das ich für die nächsten Monate fahren darf und erinnere mich zeitverzögert daran, dass ich hier noch aufsperren muss und nicht einfach auf einen Schlüssel drücken kann. Es gefällt mir. Mir gefällt auch, dass ich mich strecken und recken muss, um den Knopf der Beifahrertür von innen zu öffnen und mich verrenken muss, um die hintern Türen zu entriegeln. Würde man mit diesem Auto einen Banküberfall planen, wäre die Polizei vor Ort bevor man alle Türen geöffnet hat. Für alles andere, erinnert es einen daran, dass nicht alles schnell gehen muss und man hier noch ganz banale Mechanik vorfindet. Handfest, das ist dieses Auto und das mag ich. Hier blinkt nichts überflüssiges und hier hat jeder Knopf und jeder Schalter noch seine Funktion. Es passt zu dir, sagt einer meiner Freunde und erinnert sich schmunzelnd an ein Streitgespräch, das ich vor kurzem mit der elektronischen Einparkhilfe seines Autos geführt habe. An jenem Abend war ihm nicht zum Lachen und er bescheinigte mir einen gewissen Grad an Irrsinn, weil es verrückt sei mit einem Piepston über dessen Berechtigung zu diskutieren. Hier kann mir das nicht passieren, sage ich und erkläre ihm, dass dieses Auto endlich wieder eines sei, das nicht mitdenkt und einfach nur das macht, was ich möchte.

Das sage ich auch der Freundin, die es mir für einige Wochen netterweise zur Verfügung stellt. Schau, es ist schlicht, sage ich und wie schön das ist. Sie weiß, dass ich es ernst meine und lächelt nur, als ich beim Ausparken ein lautes und herzhaftes „Oh, Scheiße“ rufe. Gerne hätte ich ihr diesen Aufschrei der Überraschung durch das offene Fenster zugerufen, zum Kurbeln hatte ich aber keine Hand frei, weil ich vergaß wie sich das Fahren ohne Servolenkung anfühlt. Da hat man keine Hand frei. Darüber nachdenken konnte ich nicht, den bei diesem wunderbaren Auto, darf, kann und muss man noch richtig auf die Bremse treten. Ein sanftes Antippen, bringt diesen Wagen nur zum müden Lächeln. Er ist wie ein Mann, dem man auch mal den Ellbogen in die Rippen stoßen darf und nicht immer mit Samthandschuhen anfassen muss. Das ist schön. Probefahrt, bietet meine Freundin an und ich nicke. Ja, bitte. Wie bei vielen sich anbahnenden Beziehungen ist es manchmal besser, sich im Beisein von guten Freunden langsam kennen zu lernen.

Er fährt sich toll. Ok, man muss sich an die Bremse gewöhnen und auch an das Lenken, aber der Rest ist herrlich. Die Gangschaltung ist weich, das ist wichtig, und ach wie fein, hinten hat er auch einen Scheibenwischer. Nur wo der wieder ausgeht, ist nicht sofort zu erkennen. Auch dass das Licht links am Armaturenbrett einen Schalter hat und ich nicht sicher weiß, was dann der linke Hebel soll, müssen wir noch herausfinden. Bedeutend schneller finden wir heraus, dass es auf dieser Straße einen Blitzer gibt und das kleine Auto im vierten Gang erstaunlich schnell beschleunigt. Es braucht eine gute, eine sehr gute Freundin, die in diesem Moment schallend zu lachend beginnt und einen beglückwünscht. Der erste Blitzer in unter fünf Minuten. Das schafft nicht jeder. Wir freuen uns auf das Foto. Es wird lustig anzusehen sein. Zwei Blondinen auf der Suche nach dem Scheibenwischer mit hochkonzentriertem Blick und irrer Freude auf den Lippen.

Liebesbeziehungen zum Auto sind zwischenmenschliche Liebesbeziehungen erstaunlich ähnlich, erkläre ich auch meinem Nachbarn Paul, als er mich dabei beobachtet, wie ich einen Korb mit Badesachen in den Kofferraum des schönen, blauen Autos räume. Er nickt, sieht mich lange an und steigt dann in sein Auto. Dass auch Paul sein Auto liebt, hatte ich vermutet. Er ist schließlich ein Mann. Nicht ganz uneigennützig habe ich ihm vorgestern schon erzählt, dass ich mies, wirklich richtig mies im Einparken bin und wirklich Glück habe, keinen Neuwagen zu fahren. Da sind ein paar Kratzer nicht so schlimm. Obwohl ich sehr gut einparken kann und verdammt vorsichtig mit dem mir überlassenen Schätzchen sein werde, habe ich Paul Horrorgeschichten über zerkratzte Kotflügel und abgefahrene Seitenspiegel erzählt. Er parkt jetzt draußen vor dem Haus und ich kann ohne seine blöde Karre viel leichter um die Kurve zu meinem Stellplatz fahren.

20 Gedanken zu “Paul parkt draußen

  1. Hallo liebe Autofahrerin, ich bin zwar nur ein Mann, aber der hat genau seine Probleme – wie aiuch das weibliche Geschlecht!! Bei mir war aber alles anders. Notgedrungen musste ich mir eine neue Karre zulegen. Ein Hightecgerät! Kein Schlüssel , der in den Anlasser muss, keine Handbremse, eine 6-Gang-Wahlautomatic und ein Anzug, wie ich ihn bisher nicht kannte. Und die erste Fahrt – so fremd war mir ein Auto nie erschienen (obwohl es schon – geschätzt – das 10. ist, das ich benutze). Doch alles ist Gewohnheit – mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Aber auch mit diesem Auto werde ich k e i n Rückwärtseinparker! Lieber doch eine Stelle suchen, wo man bequem vorwärts einparken kann – das ist nach wie vor meine Maxime. Also viel Spaß mit deinem kleinen Blauen – er wird dich bestimmt auch mögen,

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    1. Schön zu hören, dass auch andere am liebsten bequem vorwärts einparken. Wenn es sein muss, kommt man rückwärts schon rein, aber wenn es sich vermeiden lässt….warum quälten.
      Diese neuen Autos sind schon fein. Die fehlende Handbremse ist sicher auch nur Gewohnheit und man erkennt schnell die Vorzüge – am Anfang aber….mehr als fremd.
      Mein Vater hat nun auch ein Auto ohne Schlüssel bzw. eines, wo man ihn nicht mehr in ein Schloss stecken muss. Einerseits sicher praktisch, andererseits ist man der Elektronisch schon arg ausgeliefert.
      Gute Fahrt – uns beiden – und liebe Grüße

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  2. Elektronische Einparkhilfen werden allgemein überbewertet, da geht immer noch ein Meter, na gut, ein halber … zumindest 10 Zentimeter. Und wenn man vorsichtig zurücksetzt, braucht man die gar nicht, man merkt ja am Anstoß, daß der Platz nun ausgereizt ist. Ich fahre ja nur Leihwagen, und der letzte, den ich hatte, war mit einer Kamera nach hinten und einem Bildschirm im Armaturenbrett ausgestattet, das war schick.

    Eine Frau, solide und ohne Schnickschnack, schlicht und einfach, mit geheimnisvollem, aber großartigem Inneren, ohne überflüssiges Blinken und mit kompletter mechanischer Funktionstüchtigkeit? So bist Du? Hm … ich überlege mir das doch noch mit dem Heiratsantrag.

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    1. Gute Freunde würden bei dieser Selbstbeschreibung noch das eine oder andere anfügen und damit ein realistischeres Bild zeichnen. Aber als Frau um die Vierzig schadet zu viel Realismus ganz eindeutig ;).
      Ich denke, solange man auch ohne Einparkhilfe notfalls einparken kann, sind die Hilfsmittel eigentlich recht praktisch. Man muss sich halt daran gewöhnen. Ich hab aktuell gar nichts und kurble mir ohne Servolenkung die Muskeln hart. Auch ein Vorteil 🙂

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  3. Paul parkt also draußen? Feigling!

    Ich mag mein kleines blaues Auto auch. Es ist mein erstes Auto und soooo lange habe ich es noch nicht. Aber ich bringe mein Fahrrad hinein, ich kann bei gutem Schlichten locker zehn Säcke Rindenmulch transportieren. Es ist ein wenig höher, damit ich auch Feldwege locker bewältige, ohne aufzusitzen. Es hat ein gewisses GoKart-Feeling beim Fahren, nicht viel SchnickSchnack.

    Nur eines fehlt mir: eine Mausefalle. – Herzlichen Dank für diese herrliche Geschichte!

    Liebe Grüße,
    Veronika

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    1. So muss ein Auto sein – man kann damit seine wichtigsten Dinge transportieren und muss nicht sorgen, wenn man es als Transportmittel benutzt.
      Die Mausefalle kann ich sehr empfehlen – nur nicht gespannt oder wie man das nennt. Nicht, dass sich noch ein armes Viecherl darin verfängt.

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  4. Was ist schon ein mitdenkendes Auto gegen einen mitdenkenden Mann? Gar nix.
    Okay, das mitdenkende Auto mag einparken können. Aber bei einer plötzlich auftauchenden Maus im Kofferraum versagt die modernste Technik kläglich. Weshalb der mitdenkende Mann Situationen antizipiert und die nötigen Schritte einleitet … 😉

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