Ich kann mich nicht bewegen – es ist zu heiß. Müde und schläfrig sitze ich auf einer Decke im Hinterhof und bemühe mich nicht einzuschlafen. Das darf ich nicht, weil ich auf zwei fünfjährige Zwillinge aufpasse. Denen macht die Hitze nichts aus. Sie rennen zwischen den Büchen hin und her und entern mit einer mir unbegreiflichen Energie immer wieder die Klettergerüste. Wahrscheinlich sind sie Hitze gewöhnt. Sie sind erst vor kurzem aus Süditalien nach München gezogen und ich bin der Babysitter weil ich italienisch spreche. Sagt zumindest ihre Mutter Alba, die mich vor einer Woche am Balkon auf italienische telefonieren gehört hat. Ich mach es ja gerne, nur heute ist es wirklich zu warm für zwei neapolitanische Energiebündel. Frau Hinteranger, meine Nachbarin lässt sich neben mir auf eine Bank fallen. Sehr monoton, raunt sie mir zu und deutet mit einer Kopfbewegung in Richtung der Balkone des Hinterhauses. Im grellen Sommerlicht welken auf den Balkonen ein paar müde Pflanzen vor sich hin und fünfunddreißig Grad warme Luft lässt vergessene Wäsche auf den Ständern erstarren. Ja, sehr monoton, stimme ich ihr zu und lehne mich mit geschlossenen Augen wieder zurück. Nicht „sehr monoton“ sagt die Hinteranger und würgt den letzten Bissen ihrer Nussschnecke hinunter. Serotonin, wiederholt sie klarer und deutet jetzt präziser auf einen der Balkone, auf dem ein Wäscheständer rhythmisch wackelt und hinter dem leises Stöhnen bis in den Hof getragen wird. Das ist das Serotonin, erklärt sie, das macht die Mannsbilder geil. Stand heut erst in der Zeitung und da hat man es schon. Der eigebildete Gockel, grinst sie noch und macht sich dann daran, ihre Einkäufe zu erledigen. Ich bin mir nicht sicher um wen ich mich mehr sorgen soll. Um Frau Hinteranger, die mit ihren achtzig Jahren beschließt in der Mittagshitze Wasserflaschen durch die Gegend zu schleppen oder um mein Verhältnis zu Paul, das ich zu hinterfragen bereit wäre, wenn dieser tatsächlich seinen Serotoninspiegel am Balkon liegend, unter einem Wäscheständer regulieren würde. Leise stöhnt es im dritten Stock und ich beschließe mit den Kindern rein zu gehen, damit ich ihnen am Ende nicht noch erklären muss, was da los ist.
Ich hab die Jungs zu mir nach unten geholt und das Plantschbecken im Laubengang aufgestellt. Während ich mein italienisch mit den Kindern aufpoliere und die Füße im Wasser kühle, beschäftigt mich der Wäscheständer auf Pauls Balkon noch immer. Die Kinder plantschen, der Hitze sei dank, apathisch im Wasser und ich telefoniere mit meiner Freundin Anna. Ob Paul noch ganz dicht sei, frage ich sie. Am Balkon! Mal ganz abgesehen davon, dass kein vernünftiger Mensch bei 35 Grad Lust hat, fällt man doch nicht unter einem Wäscheständer übereinander her. Wie krank ist es, die Nachbarschaft dabei zuhören zu lassen! Ich rede mich in Rage und Anna versteht mich. Wir vermuten, dass seine einzige vorzeigbare Garnitur Bettwäsche in der Wäsche war oder seine Neue in irgendeiner Frauenzeitschrift einen Artikel gelesen hat, wie man Schwung in eine Beziehung bringt. Anna wundert sich, dass er schon wieder eine neue Flamme hat und ich kitzle die Jungs mit den Zehen, während ich überschlage, wie lange seine letzte Beziehung gehalten hat. Paul bleibt nicht bei einer, erkläre ich Anna und klemme mir das Telefon zwischen Ohr und Schulter, damit ich die Jungs abtrocknen kann. Ein Typ wie Paul wechselt monatlich die Frauen, alleine schon aus Angst er könne etwas verpassen. Als geübter Babysitter und gewohnt darin zwischen deutsch und italienisch zu wechseln telefoniere ich weiter mit Anna und spiele gleichzeitig „Ich sehe was, was du nicht siehst“ mit den Jungs. Wir sind gerade bei giallo (gelb) als die Jungs gleichzeitig zu Pauls Balkon deuten. Auf dem steht , im gelben Kleid und mit einem Glas Wein in der Hand, ihre Mutter.
Hätte ich das Wasser aus dem Planschbecken nicht zum Gießen der Blumen verwendet, hätte mich vermutlich Alba darin ertränkt. Oder Paul. Beide sind im Laufe des Abends nämlich noch bei mir vor Tür gestanden und haben mich gefragt ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte. Der eine auf deutsch, die andere auf italienisch. Die Jungs sprechen wider Erwarten unsere Sprache. Wahrscheinlich sogar besser als ich italienisch. Frühreif sind sie vermutlich auch. Anders kann ich mir nicht erklären, wie sie meinem Telefonat so gut folgen konnten. Dass sie den Inhalt ihrer Mutter brühwarm erzählt haben, lässt mich zu dem Schluss kommen, dass es auch fiese, kleine Bälger sind. Zu Pauls Ehrenrettung muss ich erwähnen, dass er auf dem Balkon doch keinen Sex hatte. Zu meiner Ehrenrettung aber auch, dass es noch viel peinlich gewesen sein muss. Es war ihm nicht zu blöd mit – so vermute ich – schweißnassem Oberkörper Liegestütze auf dem Balkon zu machen und sich von einer Italienerin dabei anfeuern zu lassen. Ich telefoniere gerade mit Anna. Wie krank ist es bitte, auf einem Balkon Sport zu machen, nur um jemanden zu beeindrucken. Das hat er doch in Men´s Health oder einem anderen Schwachsinnsheft gelesen! Und dann auch noch zu keuchen damit sich jeder, der nicht auch Sport macht, faul und träge vorkommt und ein schlechtes Gewissen hat. Und überhaupt, die wohnt erst seit einem guten Monat hier und er hat sie sich schon geschnappt. Frau Hinteranger hat Recht – es muss am Serotonin liegen. Man weiß ja, dass der Spiegel im Blut sich bei den Temperaturen erhöht. Sie müssen das nicht googeln. Es stand in der Zeitung.
Liebe Mitzi,
eben standen Sie virtuell hinter mir und haben meinen Arm festgehalten!
Das kam so:
Ich bin schon im letzten Absatz und bin gerade dabei, mit der Maus das Wort „Serotonin“ zu markieren, um es bei……… DA sagen Sie: „Sie müssen das nicht googeln.“ und meine Hand zuckt zurück.
Naja, aufsässig wie ich bin, habe ich mich von dem Schreck schnell erholt, und heimlich das Wort bei Google eingetippt.
Sonst hätte ich ja nie erfahren, dass
Serotonin, auch 5-Hydroxytryptamin (5-HT) oder Enteramin, ist ein Gewebshormon und Neurotransmitter. Es kommt unter anderem im Zentralnervensystem, Darmnervensystem, Herz-Kreislauf-System und im Blut vor. Der Name dieses biogenen Amins leitet sich von seiner Wirkung auf den Blutdruck ab: Serotonin ist eine Komponente des Serums, die den Tonus (Spannung) der Blutgefäße reguliert. Es wirkt außerdem auf die Magen-Darm-Tätigkeit und die Signalübertragung im Zentralnervensystem.
Ob ich mir das alles merken kann, ist wieder ein ganz andere Sache! 😉
Gruß Heinrich
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Jetzt müssen Sie es sich merken, lieber Heinrich.
Bei künftigen Fragen zum Serotoninspiegel wende ich mich an Sie 😉
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Badezimmerspiegel.
Das kann ich mir leichter merken.
<;-)
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Ist auch weniger Tippfehleranfällig 🙂
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PAUL.. Plan, Ausserirdisch, Unglaubwūrdig… Liebevoll…
“In der Hitze der Nacht”…
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🙂klingt nach einem Film.
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*lach*… jeder hat seinen eigenen…
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Bei einem richtigen Workout gehört Porno-Gestöhne einfach dazu. Aber das versteht eine Yoga-Tante natürlich nicht 😌
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BWL Tussi, bitte!
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Diese Selbstbezichtigung werde ich bestimmt noch einmal verwenden können 😀
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Wirklich sehr „schmunzelfördernd“ wie Du diese Situationen beschreibst. Paul, ein echter Held, der auf dem Balkon auch noch Liegestützen macht. Bei diesen Temperaturen würde ich andere Register ziehen, um die Damenwelt zu beeindrucken… vorausgesetzt, es wäre nötig 😉
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Angeber
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😎😊
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Als Held würde ich Paul nicht unbedingt bezeichnen. Es ist schon reichlich dämlich, mittags bei der Hitze….lassen wird das.
Ist sicher nicht nötig 😉
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Nö… ich sag ja. Ich würde das anders machen, nicht so schweißtreibend ganz bestimmt 🙂
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Besser so. 🙂
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😊
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Gestern verlangt – prompt geliefert, vielen Dank, hat mich sehr amüsiert.:-) Und was dazugelernt: 1. Das Serotonin ist also Schuld. 2. Vetraue niemals italienischen Bälgern.
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Dein Wunsch….. 😉
Ich hatte es halb geschrieben, als ich deinen Kommentar gelesen habe und dachte mir „Ha! Er ahnte es schon.“
Genau – wenn du dir das merkst, dann geht nichts schief. Übrigens nicht nur italienische 😉
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Erstaunlich, wie Pauls Gestöhne Deinen Mitteilungspegel steigen lässt 😆😎. Der ist bestimmt n Schnuckelchen 😆😂. Deine Dir anvertrauten Kids lernen fürs Leben – egal ob auf Deutsch oder Italienisch. Solche Babysitter hätte ich mir früher gewünscht.
Liebe Grüße aus dem ebenso heißen Norden 😘
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Es ist wahrscheinlich sinnlos zu leugnen, dass die Tatsache, dass er das tatsächlich ist etwas mit meinen Mitteilungsbedürfnis zu tun hat ;).
Liebe Grüße in den Norden
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Was wir sehen/ hören ist oftmals nicht das was es wirklich ist.
Die Täuschung der Geräusche.
Ob mit Serotonin oder ohne.
Und mit Verlaub/ die Entwicklung deiner Geschichten zeigt oftmals einen feinen Endschwung ins Unerwartete. Schön Schön.
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Danke, dir.
Das Serotonin ist wahrscheinlich unschuldig. Wir hören und sehen meist einfach das was wir wollen. Ob das gut ist….nein.
Liebe Grüße
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Ohhh ja/ manchmal lassen wir uns von unserem Wunsch leiten/ behaupten felsenfest es hätte geregnet & dabei war es nur die Gießkanne der Frau Szernie aus dem 8 Stock.
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*lächel*
Ein echter verbaler Stimmungsaufheller, liebe Mitzi, dein Serotoninbericht…
Liebe Morgengrüße vom Lu
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Das freut mich, Lu.
🙂
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🌟
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UPS 😀 und was sagt Paul dazu, dass du so über ihn denkst? 😉
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Was meinst du wohl? ;).
Der fühlt sich gebauchpinselt. Ich hab ihm ja nicht gesagt, dass ich ihm mehr als fünf Liegestützen eigentlich nicht unbedingt zugetraut hätte :))))
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🤣🤣 Paul ist gewissermaßen auch ein unbelehrbarer Optimist oder?
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Sonniger Optimist mit einem großen, großen Selbstbewusstsein. 😂
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❤ 😁
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Schön beschrieben!
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Danke 🙂
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Wow! Welch geschickt gebaute Geschichte, liebe Mitti, und das bei der Hitze. Ich hatte zwischendurch beim Lesen schon den Verdacht, dass es bei den Tönen nicht um Sex geht. Bei der Hitze zieht sich männliche Geilheit meist in die Gucklust zurück. Das könnte man auch mal der Zeitung stecken 😉
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Danke für das Lob, lieber Jules. Ja, es war absehbar nicht wahr. Wenn nicht, hätte ich nicht darüber geschrieben, was du ahnst, weil du mich ein bisschen kennst.
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Meine Devise ist ja immer: Wer nicht schwitzt und immer noch so aussieht wie ein Victoria Secret Angel frisch vorm Laufsteg macht nicht vernünftig Sport. Trotzdem nervt mich dieses Porno-Gestöhne und es kommt tatsächlich meist von Männern…
Ich denke in dem Bereich wäre ich dann voll gedankliche vollblut Italienerin, ich könnte mich jeden Tag über dieses Thema aufregen.
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Zu heiß zum aufregen ;). Aber diese akustische Sportuntermalung ist ….hm….schräg. Frauen schwitzen nicht beim Sport, seit es Instagram gibt weiß ich das auch 😉
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Hab ich mir’s gedacht, dass dieses Serotonin, das klingt, als wäre es ein Produkt der Pharmaindustrie, Männer dazu bringt, gleich nach dem Wäschewaschen – als wäre dies nicht Plage genug – Liegestütze bei rekordverdächtigen Hitzetemperaturen hinterherzuschicken. Und nein, ich werde mich weigern, so ein Zeug einzunehmen … 😉
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Das sollten Sie – Ihren Nachbarn zu liebe – auch unbedingt unterlassen, Herr Ösi.
Den Schmarrn bei Hitze Sport zu machen überlassen wir anderen, die manchmal doch arg seltsam sind.
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Es ist einfach zu heiß draußen aber seid Gestern hat es sich ein bischen abgekühlt
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Und schon riecht es morgens ein wenig nach Herbst. Nach diesem Sommer ist es ein herrlicher Geruch.
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