Uiuiui

Man sagt, dass es wichtig ist über sich selbst lachen zu können. Mag sein. Viel wichtiger aber ist es, sich seiner eigenen Blödheit bewusst zu sein, denn das ist lebensrettend. Im Ernst, Sie ahnen gar nicht, wie leicht es ist sich selbst umzubringen. Ohne jeden Vorsatz, einfach nur, weil man sich so saudumm angestellt hat, dass man sich fragt – sofern man überlebt – wie blöd man eigentlich sein kann. Ich selbst unterstreiche besonders dumme Aktionen gerne mit einem gemurmelten „uiuiui“. Bis vor einigen Jahren dachte ich, dass ich dieses Geräusch von mir gebe, wenn ich urplötzlich in eine brenzliche, mit etwas Glück aber zu überstehende Situation gerate. Zum Beispiel, wenn man bei leichtem Nebel etwas zu schnell – oder wie mein Vater sagen würde, völlig hirnlos – einen Skipiste nach unten brettert und aufgrund der schlechten Sicht versehentlich in die Buckelpiste abbiegt. Das ist ein „uiuiui-Moment“. Andere brüllen „Fuck“ ich murmle uiuiui und lache hysterisch wenn ich stehend unten ankomme. Uiuiui sage ich auch, wenn es mal eng wird. Beim Autofahren zum Beispiel. Da gibt’s schmalen Straßen, die richtig eng werden wenn noch ein LKW am Rand steht. Ich fahre dann langsam durch, hoffe das beste und murmle leise mein Mantra. Das zumindest dachte ich lange. Bis vor ein paar Jahren mein Freund neben mir saß, als es eng wurde. Ich murmelte und als ich ihn das nächste Mal ansah war er weiß im Gesicht und sagte betont ruhig, dass ich unverzüglich rechts ranfahren soll.

Seit diesem Nachmittag weiß ich, dass ich beim uiuiui sagen kurz die Augen schließe. Auch wenn ich im Auto sitze, es eng wird und ich der Fahrer bin. Es scheint mich zu beruhigen, ist aber – da muss ich ehrlich sein – auch unglaublich dumm. Es erklärt allerdings auch, warum ich damals in Italien den VW Vektra (am Rande, ein unangenehm großes und sperriges Auto) so in der Hofeinfahrt verkeilt habe, dass ich nicht mehr vor und zurück kam. Also schon, aber nicht ohne, dass das Blech des Autos vorne links oder hinten rechts gekreischt hätte. Ich murmelte uiuiui, schloss die Augen und gab Gas. Hilft ja nix – ich konnte die Einfahrt ja nicht dauerhaft blockieren. An dieser Stelle noch einmal eine herzliche Entschuldigung. Obwohl…es ist schon auch fahrlässig ein so großes Auto auf einer so kleinen Insel zu fahren.

Uiuiui stöhne ich auch immer, wenn ich mein Altglas in den Korb in der Küche lege. Aus Platzgründen steht der Korb auf meinem Kühlschrank und ich muss mich auf die Zehenspitzen stellen, damit ich ihn mit den äußersten Fingerspitzen so lange anstupse, bis er sich über den Rand des Kühlschrankes neigt und ich ihn im Fallen auffangen kann. Dieses System funktioniert hervorragend. In der Arbeit mache ich es mit den Ordnern, die oben im Schrank stehen, nicht anders. Nur wenn der Korb ein wenig zu voll ist, dann erfordert es besonders Geschick. Oder Glück. Vor einem Jahr ist mir ein leeres 1 Liter Einmachglas rausgefallen. Eines der alten, dickwandigen. Es rauschte dicht an meinem Kopf vorbei und schlug auf dem Deckel des Mülleimers ein. Der hatte danach ein Loch und ich war 24 Stunden euphorisch, weil das Glas den Mülleimer und nicht mich erschlagen hatte. Es ist ja so leicht, sich selbst eine Freude zu machen. Selbstverständlich steht mein Altglaskorb noch immer auf dem Kühlschrank. Aus Platzgründen wie ich erwähnte und weil ich jetzt vorsichtiger bin. Alles was mehr als ein Kilo wiegt entsorge ich sofort.

Meinen Mülleimer muss ich jetzt aber entsorgen. Nicht wegen des vom Einmachglas verursachten Loches, sondern weil sich seit heute morgen der Deckel nicht mehr öffnen lässt. Er hat einen zweiten Einschlag erdulden müssen. Heute morgen hatte ich es eilig. Nicht eilig genug aber, um nicht noch das neue Körperöl aufzutragen. Auf die feuchte Haut nach dem Duschen steht auf der Flasche. Leider steht da nicht, dass man die Fußsohlen aussparen soll. Könnte man sich denken, aber ehrlich gesagt, dachte ich mir eher, dass es da die Haut besonders nötig hat und ölte großzügig. Über den Teppich gings noch gut. Auch über die Holzfliesen am Balkon noch. In der Küche nicht mehr. Mit der gerade gefüllten Gießkanne hat es mit die Füße weggerissen. Falls Sie meinen ich bin gestolpert, nein. Ich bin geflogen. Beide Beine gleichzeitig hat es mir mit Schwung weggerissen und ich landete auf dem Boden. Die fünf Liter Wasser der Gießkanne auch. Leise stöhnte ich uiuiui, weil die Pfütze bis ins Wohnzimmer und unter den Schrank reichte. Gern hätte ich auch die Augen geschlossen, aber ich musste aufwischen und dann zur S-Bahn. (Übrigens – Sandalen und eingeölte Füße….lassen Sie es).

Als ich heimkam sah ich den Mülleimer. Ich muss wohl auf ihn geknallt sein. Der Deckel ist verbogen und hängt an der Seite runter. Das erklärt warum sich vom Knie bis über die Hüfte meine rechte Körperhälfte schon blau verfärbt, woher der knallrote Unterarm kommt und warum ich mich jetzt fühle als hätte mich ein Bus überfahren. In der Früh hab ich es nicht gemerkt. Ich musste ja aufwischen und zum Bus laufen. Aufwischen muss ich jetzt auch. Die Ölpfütze im Bad vor der Wanne. Uiuiui, da wenn ich heut Abend ausgerutscht wäre. Es geht ja so schnell, dass man sich versehentlich umbringt. Passen Sie bitte auf sich auf.

36 Gedanken zu “Uiuiui

  1. Danke für das Lächeln am Abend 👋 Sehr amüsant geschrieben.
    Seltsamerweise verhalte ich mich genau gegenteilig 😀 Bei mir wird jede Situation und Handlung vorher genau analysiert, was alles passieren könnte. Wohl auch ein Grund, warum ich zwar seit 1996 einen Führerschein habe, Lenkräder, Gaspedal und Bremse mir völlig suspekt sind 😀

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    1. Freut mich, wenn du Lächeln konntest – das war das Ziel.
      Manchmal geht es mir ähnlich. Dann sehe ich die Unfälle ganz deutlich und mache einen großen Bogen um den möglichen Verursacher. Bei anderem scheine ich meinen Verstand auszuschalten.
      Liebe Grüße

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  2. Uiuiui liebe Mitzi, was bin ich froh, dass Sie sich nicht schwer verletzt haben! Zum Sterben ist es für Sie noch zu früh. Sie sind noch nicht dran. Da können Sie sich blaue Flecken holen, so viel Sie möchten. Ihr Schutzengel wird dafür sorgen, dass Ihnen nichts richtig Schlimmes passiert. Da könnten Sie Ihren Altglaskorb noch einen Meter höher stellen.

    Woher ich das weiß? Woher ich diese Sicherheit nehme?

    Ich habe die Terminlisten des Schnitters gehackt, weil ich neugierig war. Bis 2070 taucht Ihr Name da nirgends auf! (weder der Künstlername noch der andere 😉
    Gruß Heinrich

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    1. Lieber Heinrich,
      puh…da bin ich froh. Obwohl ich davon ausgehe noch recht lange hier zu bleiben, ist es doch beruhigend es nun schwarz auf weiß zu lesen. Herzlichen Dank, dass Sie sich darum gekümmert haben.
      Die blauen Flecken sind ok. Ein Leben so ganz ohne ist vermutlich ein arg langweiliges.
      Ihnen ein schönes Wochenende und herzliche Grüße aus München.

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  3. „Uiuiui!“, nochmal gut gegangen. Was du hier so launig und unterhaltsam geschildert hast, liebe Mitzi, ist ein Grund zur Vorsicht. Versicherer wissen, dass es im Haushalt viel gefährlicher ist als im Straßenverkehr. Pass in Zukunft gut auf dich auf, meine Liebe.“Uiuiui“ mag ich hier eigentlich nicht mehr lesen.

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  4. uiuiui oder ayjajay… Glück gehabt, trotzdem gute Besserung! Und du hast ja so Recht, so schnell ist so ein Mist passiert, Achtsamkeit ist nicht in jedem Moment gegeben, man kann sich nur disziplinieren –
    herzliche Grüße, Ulli

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  5. Die Körperöl- Idee könnte von mir stammen 😉. Ich bin kein uiuiui- und Augenzu-Typ, ich ziehe die Luft scharf durch die Nase ein, presse die Lippen aufeinander und vergesse auszuatmen. Ich weiß jetzt aber nicht, was weniger gefährlich ist 😎. Egal – die meisten Unfälle passieren im Haushalt – also wirst Du eher von Deinem Altglas ins KH befördert als von einer zu engen Straße. #machdenblödenSensoraus #daistimmervielPlatz
    Liebe Grüße
    Andrea

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  6. hopsasa. also die augen schließen im auto als fahrer, wenns eng wird: das kann ich auch. das mit den eingeölten fußsohlen, hm. das funktioniert auch mit creme ganz gut, da rettet man sich aber noch leichter. gute besserung für die verletzten stellen meine liebe!

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  7. Wer den Schaden hat, braucht für das Lachen der anderen nicht zu sorgen, das machen die ganz von allein. Und dennoch tust du mir leid, denn das mit den geölten Füßen war doch eine sehr artistische Einlage, die leider etwas schief gegangen ist.
    Mein Sohn hätte sich mit 14 Jahren auch beinahe aus Dusseligkeit vom Leben zum Tod befördert, aber Mutter und Lebensgefährte konnten das zum Glück verhindern.
    Pass uff dia uff, sare ick dia!
    Herzlich grüßt Clara

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