Nein!!!

Ich wittere eine Verschwörung! Da will mir einer meinen Job wegnehmen. Ach was rede ich! Nicht nur einer, ein ganzes Komitee hat sich daran gemacht. Im ganz großen Stil möchte man mir hier das Wasser abgraben.  Man will mich aufs Abstellgleis schieben und mich mundtot machen. Und das schlimmste ist, dass man hierfür perfide und boshaft einen Zeitpunkt gewählt hat, an dem ich mich kaum bis gar nicht wehren kann. Man wartete, bis ich von der Außenwelt abgeschottet mit Fieber mehr tot als lebendig im Bett lag. (Böse Zungen unterstellen mir eine stinknormale Erkältung, aber jeder Mann kann nachfühlen, dass es mir wirklich sehr schlecht ging.) Arglistig täuschte man Normalität vor indem Montag und Mittwoch das Kältebedingte Chaos auf der Stammstrecke der Münchner S-Bahn ausbracht und zog im Hintergrund bereits die Fäden, um genau das künftig zu vermeiden. Wovon soll denn dann bitte ich, künftig leben? Von meinen Erzählungen kann ich nicht leben, aber das wissen die ja nicht. Und wüssten Sie es, dann wäre es ihnen wohl egal. Nein, nicht wäre – es IST ihnen egal.

Gestern, noch fiebrig im Bett gelegen, erreichte mich via WhatsApp das obige Foto. Ob ich schon davon gehört habe? Man hätte bei dieser Schlagzeile sehr an mich denken müssen, besonders nach der Lesung am vergangenen Samstag. Das mindeste, sei ein Leserbrief, forderte die impulsivste meiner Kolleginnen und setzte an das Ende ihrer Nachricht einen lachenden Smiley, wo doch ein Weinender viel angebrachter gewesen wäre. Sie können sich vorstellen wie ich die letzten beiden Tage meiner Krankheit verbracht habe? Nicht nur, dass ich mich fiebrig und nahe dem Tode von einer Seite auf die andere wälzen musste, nein, dank dieser Schlagzeile musste ich mir in meinem schmerzenden Kopf auch noch Sorgen machen. Sorgen, um meine Blogexistenz. Denn sind wir uns ehrlich, ohne das Chaos der Münchner Verkehrsbetriebe fehlt diesem Blog das Herz. Oder der Darm, die Lunge, meinetwegen auch die Milz – auf jeden Fall etwas ganz wichtiges. Der Verstand wird ihm allerdings wohl nicht fehlen. Heute ging es mir besser und ich habe mir den Artikel durchgelesen. Keine Sorge. Es wird alles beim Alten bleiben.

Florian Zick, der den Autor des Artikels in der Münchner Abendzeitung hat genau meinen Humor. Schreibt er doch, dass die S-Bahn momentan keinen Lauf hat. So kann man es auch nennen, wenn am Montag morgen eine Großstörung alles lahm legt und die Bahn am nächsten Tag im Rahmen einer Pressekonferenz erklären will, wie den Laden zukunftsfähig machen will. Blöd, wenn die Konferenz an einem Ort stattfindet, wo zwar S-Bahnen hinfahren, die aber an diesem Tag, wegen einer weiteren Störung schon wieder ausfallen. Ein paar haben es dann doch dort hin geschafft und konnten über die Pläne berichten.

Zunächst möchte man die Stammstrecke einzäunen und damit die „Personen im Gleisbereich“ fernhalten. Eine super Idee. Lieschen Müller, die mit ihrem Rollator aus dem Altersheim geflohen ist und sich zwischen Hacker- und Donnersbergerbrücke befindet, wird künftig also nicht mehr ungewollt im Gleisbett rollen. Wie sie da vorher hingekommen ist, bleibt allerdings ein Rätsel. Wenn Sie mich fragen, ist „Personen im Gleisbereich“ ein Codewort für „Der Heinz ist noch in Mittagspause“, „Hat jemand die Schlüssel zum Kontrollraum gesehen?“ oder für „Die Deppen können warten, wir lassen uns nicht hetzen“. Unmöglich, dass täglich Kinder, Demenzkranke oder abkürzende Pendler auf den Gleisen rumstolpern. Angeblich hat man schon 97 Prozent eingezäunt. Weniger sind die Personen am Gleis nach meinem subjektiven Empfinden nicht geworden. Wahrscheinlich rotten sie sich seit Monaten bei den frei zugänglichen 3 Prozent Gleisabschnitten zusammen oder krabbeln durch die Büsche um dorthin zu gelangen.  

Immer noch beliebt sind die Einstiegslotsen, die den Münchnern beibringen sollen, dass man innerhalb von 30 Sekunden Ein- und Aussteigen kann. Lieber Münchner Nahverkehr, wie gut das funktioniert, kannst du hier nachlesen. Gar nicht, nämlich. Neben den Pendlern und Schulkindern stehen 11 Lotsen so saublöd im Weg rum, dass alles noch a bisserl länger dauert. Seit dieser Woche noch länger. Nach der Lesung habe ich nämlich 40 hoch interessierte Münchner an den Hauptbahnhof geschickt, um sich die Lotsenarbeit selbst anzusehen. Sie alle haben mir versprochen Videos zu drehen und sich mit einer Brotzeit mitten ins Getümmel zu stürzen.
Ganz ehrlich, wenn er Münchner zu blöd zum ein- und aussteigen ist, dann haben wir weit dringendere Probleme als Einsteigehilfen. Das beweist auch, dass die Bahn jetzt einen Countdown-Uhr einführen möchte, die sicherstellt, dass der Zugführer die vorgeschriebenen 30 bis 40 Sekunden einhält. Ich stelle mir da etwas vor, dass dicht über dem Schwarz des Tunnels hängt und die Sekunden, ähnlich wie bei einer tickenden Bombe, nach unten zählt. Was macht dann so ein Zugführer wenn der Countdown bei 39 ist und noch halb München zwischen den Türen seiner U-Bahn hängt? Ich werde hier keine Vermutungen anstellen. Nur so viel….für Lieschen Müller mit ihrem Rollator ist es dann vielleicht sogar auf dem Gleisbett an der Hackerbrücke sicherer, als bei Sekunde 40 halb drin und halb draußen zu hängen.

Das Beste zum Schluss. Dank einer GPS Ordnung soll man in einer App künftig die genaue Position des verspäteten Zuges sehen. Warum? Um ihm entgegen zu laufen? Um am Bahnsteig stehend auch den letzten Funken Hoffnung zu verlieren. Auch da ist ein Zaun dann vielleicht doch nicht so schlecht. Er hindert die am Sprung in die Tiefe, die dank der App schlagartig begreifen, dass sie ihren Flug definitiv nicht mehr erreichen werden.

Nichts wird sich ändern. Im Gegenteil. Ich glaube es wird sogar noch viel, viel lustiger werden. Beruhig begebe ich mich weiter in die Rekonvaleszenz.

42 Gedanken zu “Nein!!!

  1. Liebe Mitzi,
    zunächst erst einmal GUTE BESSERUNG! Wie Sie schon sagten, ich kann es nachfühlen und habe erfahren, dass aus Gleichberechtigungsgründen nun auch Frauen schweren Männerschnupfen bekommen dürfen.
    (Also manchmal finde ich die „Gleichberechtigung“ irgendwie übertrieben…..)
    Florian Zick hat Ihnen sicher anvertraut, dass all diese Vorhaben angegangen werden, damit sie beide auch weiterhin genug Tinte für den Füller – also Sie wissen schon…, wenn es noch lustiger wird! 😉
    Gruß Heinrich

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  2. Na dann 😉 Wir hatten gestern auch mehrere Stunden Stromstörung und schwupps stand schon einer mit einem kleinen Kind auf den Gleisen um dem Zug entgegen zu sehen, der zum Glück nicht kam.

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  3. Liebe Mitzi!

    Zunächst einmal wünsche ich Ihnen natürlich weiterhin gute Besserung. Die Bahnnachrichten dürften sicherlich zu Ihrer Gesundung beitragen und Ihre Blogexistenz ist bestimmt auf Jahre gesichert.
    Vielleicht wäre es auch sinnvoller wenn sich gleich alle Passagiere auf Lieschen Müllers Rollator schwingen und von dannen düsen. Damit sind sie mit Sicherheit schneller als die Bahn 🙂

    Herzliche Grüße
    Mallybeau

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    1. Liebe Mallybeau, vielen Dank – ich genese stündlich. Wie Sie erraten haben, auch wegen der erfreulichen Nachrichten ;).
      Es grüßt Mitzi, die Sie als Beifahrerin auf dem Rollator sehr gerne neben sich hätte.

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      1. Eine wunderbare Idee, liebe Mitzi. Im Sommer unternehmen wir eine gemütliche Rollatortour und machen der Bahn Konkurrenz 🙂

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  4. Wie klein die Welt doch ist — ich kenne den Florian. Ein bisschen zumindest.
    Jetzt werd erst mal gesund, liebe Mitzi. Ob es die echte Grippe oder Fake war, scheint man dieses Jahr erst im Nachgang sagen zu können, wenn man eigentlich wieder gesund ist, aber doch noch ein paar Tage merklich schwächelt. Solang der Geist aber so scharf bleibt, bin ich frohen Mutes!

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    1. Das schlimmste ist überstanden.
      Der Artikel von Florian Zick wurde mir seit gestern von drei Quellen zugeschickt. Ich schreibe und lese zu viel zum Thema des MVG. Aber er verdient Geld damit – ich bin fast ein bisschen neidisch ;). Nein…natürlich nicht.

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  5. Gute Besserung! Heuer gibt es gar keine normalen Erkältungen (behaupte ich).
    Würden hier nicht Leute rund um mich sitzen (Wartezimmer), könnte ich ja laut loslachen, aber so schmunzle ich halt in mein Handydisplay, weil die Münchner offenbar nicht nur granteln können wie die Wiener, sondern darüber hinaus auch noch ein sehr unterhaltsames Volk sein dürften, wenn sie „reisen“ *gg*

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  6. Ach LOTSEN sollen das sein, ich dachte neulich, dass das alles Security-Leuts sind. 😀 Macht keinen Unterschied, ausser, dass Security für meine Begriffe die Gäste rausschmeisst, während die Lotsen, sie reinschiiiiieeeb …ääh lotsen 😉

    Gute Besserung ❤

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  7. Zunächst wünsche ich dir auch gute Besserung! Die ganzen Aktionen der Verkehrsbetriebe dienen vor allem dem Zweck, die Wartenden zu beschäftigen. Es ist was los an der Haltestelle, da gibt es was zu sehen. Wer will da schon noch weg?

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  8. Vor Jahren warb die Londoner U-Bahn mit dem Slogan „You can’t beat the System…“

    Das könnten die Betriebe des MVV auch für sich reklamieren. Sie sind einfach unschlagbar. Egal, was Du Dir ausdenkt, um Weichen- und Stellwerkstörungen zu umgehen, am Ende kriegen sie dich doch und Du stehst wieder wie ein Idiot am Ostbahnhof und weißt nicht, wie nach Hause kommen.

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      1. Der Ostbahnhof ist die Vorhölle, glaube ich. Außerdem habe ich jetzt Kopfkino: Lieschen Müller prescht mit dem Rollator über Stock und Stein, Bahnschwellen, Kies und Unterholz. Gute Besserung übrigens.

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  9. Wenn die Züge ständig ausfallen, wäre es da nicht besser, man schickt die Fahrgäste hinunter aufs Gleisbett und bittet sie, die gewünschte Stecke einfach zu Fuß zurückzulegen? Ein jeder weiß ja, in welche Richtung er zu laufen hat, nämlich in die, in die er normalerweise fährt … und da die Züge glücklicherweise nicht fahren, ist auch die Gefahr des Zusammenstoßes mit einer Lok gebannt.
    In den einzelnen Stationen könnte man die Einstiegslotsen, die nun folgerichtig nichts mehr zu tun haben, nach einer kleinen Schulung, den jeweiligen Stationsnamen rufen lassen, damit die schnellsten unter den Gehern in ihrem Elan das Aus- und Umsteigen nicht vergessen.
    Für Leute mit zu vielen Pfunden auf den Rippen wäre die S-Bahn, die jetzt im wahrsten Sinnen des Wortes eine G-Bahn ist, eine veritable Methode das überschüssige Gewicht in den Griff zu bekommen.
    Womöglich, aber so weit will ich mich nicht aus dem Fenster lehnen, könnte man dadurch sogar die Fahr- beziehungsweise Gehpreise halbieren … 🙂

    Liebe Mitzi, ich wünsche Ihnen eine gute Besserung

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    1. Herr Ösi, danke für die Genesungswünsche – es wird und ist schon wieder sehr gut.

      Von Ihrem Vorschlag bin ich begeistert und sehe da eine ganze, im Wortsinn, Bewegung vor mir. Menschen werden Laufgruppen bilden, Rollatorenrennen werden zum Vergnügen veranstaltet und der bereits fertig gestellte Zaun wird späterer Generationen an die aberwitzige Idee von pünktlichen Zügen erinnern ;).
      Danke für das Teilen dieser schönen Vorstellung.

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    1. Ich ärgere mich auch. Sehr oft sogar. Würde ich aber darüber schreiben, dann würde ich mich zwei Mal ärgern. Leider funktioniert das bei mir mit der Wut „runterschreiben“ nicht. Aber ich kann es sehr, sehr gut nachvollziehen 😉

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  10. Liebe Mitzi,
    ich hoffe, Dein aktueller Gesundheitszustand ist nicht durch zu viel „Zug“ entstanden.
    Nicht, dass Du Deine Bahn künftig meidest, und es keine Geschichten mehr gibt.
    Wie auch immer: ich wünsche Dir eine Spontanheilung.
    Pünktlich sofort und ohne Verspätung!
    Viele Grüße!
    Lo

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  11. Deines Arbeitsplatzes gehst Du also nicht verlustig. Das ist gut. Aber wenn Du mir gleich gesagt hättest, dass Du einen Männerschnupfen hast, hätte ich Dich natürlich viel sorgfältiger bemitleidet, getröstet und für Deine Tapferkeit bewundert.
    Liebe Grüße
    Christa

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  12. Liebes Fräulein Mitzi,
    glauben sie mir, diese Woche waren sie besser dran die Zeit im Bett zu verbringen als in den endlichen Weiten des MVV… darum beneide ich sie beinahe.
    Man hatte so viel Zeit bei Minustemperaturen an von der S-Bahn direkt verwaisten Banhöfen mit warten zu verbringen, dass man als Zeitvertreib durchaus ins rechnen geraten konnte.
    Ins Rechnen, wieviel Geld man im Monat diesem unnützen Unternehmen dafür in den Rachen wirft, um einfach nur endlich mal seine Zeit mit Warten und vor sich hinstarren an Bahnhöfen verbringen zu dürfen, anstatt von A nach B befördert zu werden, wozu man ja ursprünglich sein Monats Abo gekauft hatte oder zumindest glaubte, dass es zu diesem Zweck war.
    Behilflich dabei ist es, wenn man dazu am Marienplatz landet, wo im vorderen Teil des Bahnsteigs ein großer Plastikkanister steht, der das Wasser auffängt das unaufhaltsam monoton plätschernd von der unverkleideten Decke tropft. Wenn sie gesund sind, sollten die diesen Ort einmal aufsuchen – sehr inspirierend. Aber kommen sie bloß nicht dabei auf die Idee sich zu fragen, was die denn mit all dem Geld tatsächlich machen, das sie monatlich von einer Million Monatskartlern erhalten; es bleibt ein wahrhaftiges Geheimnis… und solche Gedanken verderben schließlich die Laune.
    Herzlich,
    Ihre Simone

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    1. Liebe Simone, vom Sofa aus lacht es sich leicht und ich muss gestehen, dass ich schmunzeln musste.
      Vor allem, weil ich mir dich vorstellte, wie du da stehst, das sanfte Ploppen der Wassertropfen hörst und innerlich alles andere als sanft vor Wut und Ärger explodieren könntest. Und nein, ich lache nicht über dich – mein Schmunzeln ist eine Art grinsender Galgenhumor. Ich kenne es so gut und bin an so vielen Tagen einfach nur sauer und frage mich was zum Henker die da eigentlich anstellen und ob es wirklich so schwer sein kann. Kälte….hatten wir doch letztes Jahr auch schon. Wir sind verdammt noch mal in Bayern. Die Preise sind unverschämt und das Personal ist es auch. Den Wasserkanister gibt es auch am Hauptbahnhof. Zwei Stück und seit mindestens acht Jahren. Ernsthaft? Wasserkanister an den größten Bahnhöfen.
      Herzliche Grüße
      P.S. Ich schmunzle nicht mehr. Alleine schon beim drüber nachdenken bin ich sauer geworden. 😉 Man kann vieles mit Humor nehmen, aber manchmal….

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  13. Die Einsteigezeiten sind ja fast schon amüsierend utopisch. Ich frage mich ob die Menschen (Logistiker?), die solche Einfälle haben wohl jemals mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren sind. Selbst in London und Paris oder Kopenhagen, dauert der Halt länger und die haben sogar diese todsicheren Plastikwände als Absperrung vom Bahnsteig zum Gleis.

    Ich hoffe, dass „Personen im Gleisverkehr“ wirklich nur ein Synonym für „Der Heinz ist noch in Mittagspause“ oder „Ich habe den Schlüssel zu Cockpit vergessen“ ist.

    Ich denke das Wort „Einzäunung“ ist relativ zu betrachten. Wobei wir Deutschen vermutlich selbst dafür eine Regel haben. Beispielsweise was die Mindesthöhe eines Zaunes sein müsste, um ihn offiziell als Zaun bezeichnen zu dürfen oder so…

    Demnach freue ich mich auf weitere Geschichten 🙂

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