Stalker wider Willen

Gäbe es einen Preis für unfreiwillig blödes Verhalten in sozialen Medien, dann hätte ich ihn längst. Nicht einen, sondern alle die regional erhältlich sind, ein paar der nationalen und mindestens einen internationalen. Zu den nationalen gehört zum Beispiel der vor einigen Tagen, als ich mich lautstark über einen nicht funktionierenden Link auf einem befreundeten Blog beschwerte und erst nach Aufklärung kapierte, dass ich zu scrollen übersehen hatte. Auf dem gleichen Blog lies ich mich auch darüber aus, dass eine fehlerfreie Grammatik  bei der Kürze der Beiträge, keine Kunst sei und schaffte es, in meinem – sehr kurzem – Satz selbst einen Buchstaben zu vergessen. Ohne Probleme wischte ich in meiner kurzen Tinder-Laufbahn regelmäßig auf die falsche Seite  und schaffte es auf einer Datingseite ein Blinddate mit meinem besten Freund zu vereinbaren. Auf seinen Bildern war er nur von hinten zu sehen und ich interpretierte die Vertrautheit, die das Betrachten dieses Rückens bei mir auslöste, als gutes Zeichen. Unseren Chatverlauf nutzt er, der mich auf den Bildern von vorne sah, noch heute regelmäßig als Druckmittel.

Xing ist auch übel. Mindestens ein Steuerberater, ein Anwalt für Strafrecht und eine Marketing-Maus hielten mich über lange Monate für einen Stalker, bis mir einer netterweise sagte, dass meine Profilbesuche angezeigt werden. Seit dem habe ich die ihre geschäftlichen Telefonnummern in Outlook gespeichert und suche sie mir nicht auf ihren Xing Profilen heraus. Auf Twitter like ich beim scrollen mit dem Handy versehentlich Beiträge, die ich bewusst gar nicht gelesen habe und die in ihrer Summe durchaus Fragen aufwerfen können. Falls Sie mir dort folgen…nein, ich like die Werbung für Haushaltsgeräte nicht bewusst und nein, ich möchte nicht an pharmazeutischen Studien teilnehmen. Die Rorschachtest-Bilder gefallen mir aber wirklich. Auch wenn ich fast immer Protagonisten der Steven King Romane darauf zu erkennen glaube. Ich beteilige mich an Diskussionen in Gruppen, von denen ich glaube, dass sie der beste meiner Freunde ins Leben gerufen hat und sich hinter seltsamen Nics Freunde verstecken und merke erst, dass dem nicht so ist, wenn man sich erkundigt, wer ich eigentlich bin.
Fröhlich haue ich den einen oder andere von Ihnen in den Spam Ordner und wundere mich dann, warum ich so lange nichts von Ihnen höre. Ich kommentiere bei einem Blogartikel zu dem ich über 24 Ecken gelangt bin in einer Ausführlichkeit, die verwundert, beende meinen Kommentar mit „Toller Blog. Ich komme gerne wieder“  und schließe die Seite ohne zu folgen, ohne mich an den Namen des Blogs zu erinnern und in der festen Überzeugung ihn irgendwann schon im Reader wieder zu sehen. Ich entfolge Seiten versehentlich und habe Blogs im Reader von denen ich schwören könnte, sie nie, nie, nie abonniert zu haben.

Ich bin auch ganz schlimm mit der Pflege meiner Kontakte. Hier, auf Facebook, Twitter oder sonst wo. Online bin ich, wenn ich Zeit habe und da ich manchmal auch keine Zeit haben will, stelle ich E-Mail Benachrichtigungen grundsätzlich ab. Manchmal ist das doof, dann nämlich wenn ich eine Nachricht etwas später erst entdecke. Zum Beispiel letztes Wochenende auf den Münchner Singles. Auf der Seite bin ich schon gefühlt immer. Früher fand man dort vollständige Auflistungen aller besuchenswerter Partys Münchens, heute wohl auch noch. Ab und zu schaue ich rein. Sonntag entdeckte ich eine Mail von Chris und antwortete sofort. Ist ja nett, wenn sich einer nach all der langen Zeit mal wieder meldet. Er schrieb auch gleich zurück – eine Antwort nach drei Jahren? Ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte. Übrigens sei er jetzt verheiratet und nein, der Vorschlag einen Kaffee trinken zu gehen, sei nicht mehr aktuell. Ups.
Ups auch bezüglich der zweiten Mail die ich an diesem Nachmittag beantwortete. Da beschwerte ich mich bei einem, was der blöde Spruch soll und warum nicht anrufen würde, wenn er mich sehen wolle. Schließlich hätten wir vor langem die Nummern ausgetauscht. Auch diese Antwort kam schnell. Er hätte, wenn ich mich richtig erinnern würde, genau das auch getan – vor etwa zwei Jahren, nachdem es ihm nach zwei Monaten zu blöd wurde auf eine Antwort von mir zu warten. Ein wenig misstrauisch erkundigte ich mich, warum er noch immer auf dieser Seite sei und sagte auch gleich, dass ein süffisantes Grinsen in der Stimme fehl am Platz sei. Ich hätte gesehen, dass er seit gut zwei Jahren nicht mehr online war, wenn ich geschaut hätte, erklärte er mir. Und weiter, dass ich, würde ich mich etwas mehr mit technischen Dingen beschäftigen erahnen könnte, dass er im Gegensatz zu mir seine Mail Benachrichtigung eben nicht ausgestellt habe.  Jetzt kann ich es nicht mehr sehen, da er mir ja geantwortet hat. Im übrigen sei die Frage aber eh überflüssig, solange er ab und an vor meiner Tür stehen würde. Das solle ich bitte hinnehmen und ihm bitte versprechen, mich mehr auf das offline Leben zu konzentrieren. Online sei ihm nämlich zu anstrengend und das, gesteht er mir, sei damals auch der ausschlaggebende Grund gewesen, sich spontan um zehn Uhr abends mit mir zu treffen. Er wollte wissen, wer sich hinter all den Social Media Zeug, das ich zwar hatte, aber nicht bedienen konnte, versteckte.

Er hat recht. Bis auf diese Seite hier. Die habe ich ganz gut im Griff. Falls nicht, rufen Sie mich bitte einfach an – das ist viel leichter, als Sie im Spam suchen zu müssen.

38 Gedanken zu “Stalker wider Willen

  1. Wenn ich lese, auf wievielen Hochzeiten du gleichzeitig tanzt, liebe Mitzi, hast du eher meine Bewunderung. Die kleinen Pannen tun da nichts zur Sache. Außerdem kenne ich dich als Bloggerin als höchst zuverlässig. Da gibt’s nichts zu meckern und keinen Anspruch auf einen Negativpreis.

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  2. Liebe Mitzi!

    Wären alle Kommentatoren in den sog. sozialen Netzwerken auch nur ansatzweise mit Ihrem unfreiwillig blöden Verhalten gesegnet, hätten wir eine wunderbar erfrischende und liebenswerte Internetwelt. An Ihnen können sich mit Sicherheit all diejenigen, die Sie kritisieren, noch eine Scheibe abschneiden 🙂

    Herzliche Grüße
    Mallybeau

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      1. Das stimmt. Bei FB kann es einem in den Kommentarspalten vor lauter Respektlosigkeiten mitunter eiskalt den Rücken runterlaufen….

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      2. Grausam. Ich finde dieses respektlose und teils bösartige Verhalten ganz ganz schlimm. Hätten wir das hier, würde ich mich zurück ziehen. Für so was ist die Zeit und das Leben zu schön, als es sich damit verderben zu lassen.

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      3. Ganz genauso würde ich es auch machen. Und wie ich sehe, haben Sie einen wunderschönen Tag im Valentinhaus verbracht. Gratulation zu solch einem gemütlichen Unterhaltungsabend von Angesicht zu Angesicht 🙂

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  3. Oh wie schön, ich habe mich köstlich amüsiert!
    Konnte mich gleich prima reinversetzen, stolpere ich doch dieser Tage wie ein Noob durch Facebook und bin völlig überfordert mit all den vielen Möglichkeiten. Ich hatte schonmal das Vergnügen und damals postete ich jemandem an seine Wall – seine Wall! – der sich bitterlich beklagte, dass ich mich soeben öffentlich als schwul geoutet hatte, was ihm offensichtlich unangenehm war. Ich persönlich gehe damit ja ohnehin offen um, aber er fremdschämte sich wohl. Diesmal habe ich die Privatnachrichten entdeckt, den Fehler mache ich nicht nochmal.

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    1. Ach herrje. Ist es nun sogar ändern unangenehm, wenn sich einer outet? Wir haben da echt noch einen weiten Weg vor uns 🙈
      Ich finde es schwierig jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen. Besonders wenn es um Dinge geht, die für mich ganz normal sind.
      Wir versuchen weiter die Fettnäpfchen zu umgehen. 😉

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  4. ich habe neulich einen angerufen, ob er nicht mal seine bezahlten Eintrittskarten abholen wollte. Ich hatte übersehen, dass die Veranstaltung schon im Jahr zuvor statt fand. ich finde ja immer noch, dass er die Karten mal langsam abholen könnte, auch wenn die Veranstaltung schon war, sind es ja immer noch seine Karten :-/

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  5. Irgendwo (nicht hier) hatte ich mal auf einen Beitrag geantwortet, der zwei Jahre alt war, und wurde prompt von der Autorin und deren Kommentariat niedergemacht. Seitdem schaue ich aufs Datum. (Und Tippfehler – ich bildete mir immer ein, dass ich relativ wenige mache, aber mir fallen bei mir selbst im Nachhinein immer wieder welche auf.)

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    1. Was ist denn schlimm daran, auf einen alten Beitrag zu antworten? Würde ich einen entdecken, der mir gefällt, dann hätte ich vor deinem Kommentar auch ohne nachzudenken darauf geantwortet. Vieles was da steht, hat ja nicht nur am Tag der Veröffentlichung Gültigkeit. Naja, manches muss man wohl nicht verstehen 😉

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    2. Wer gehört denn zu dem „Kommentariat“? Die anderen Leser? Und die haben dich niedergemacht? Was ging die denn das an, oder war es SO schlimm?

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  6. Die Irrungen und Wirrungen in den verschiedenen sozialen Medien geben mit Sicherheit Stoff um Bibliotheken zu füllen. Ob das dann sog. gute Bücher wären …? – Dein Beitrag dazu ist jedenfalls sehr amüsant. 🙂

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      1. Tja, einiges ist schon nicht wirklich gut erfunden, und das reale Leben ist, wie wir wissen, als Plot in den seltensten Fällen zu gebrauchen. Die Dramaturgie stimmt einfach hinten und vorne nicht. – Mir geht gerade der Steinbeck noch so nach. Da gibt es – in der Straße der Ölsardinen, im Vorwort – eine Stelle, da beschreibt er so wunderschön den Umgang mit diesen Geschichten, indem er sie mit sehr empfindlichem Meeresgetier vergleicht: Man muss das Blatt Papier auf den Tisch legen und die Geschichten darüber hin kriechen lassen. – Ich finde das manchmal in moderner Lyrik, wenn sie wirklich gut ist.

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      2. Die letzten Tage lag ich flach. Seit gestern kann ich wenigstens wieder lesen. Unter anderem das Vorwort aus der Straße der Ölsardinen. Es ist ein schönes und die von dir rausgeholte Stelle ist wirklich ein gelungenes Bild.

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      3. Oh, ich hoffe Du bist nun wirklich auf dem Weg der Besserung. Die Lektüre jedenfalls eignet sich dafür. Ich kämpfe tapfer gegen Enkelbazillen und die mörderische Kälte, die so mörderisch ja nicht wirklich ist, aber mein Körper war nicht mehr auf so etwas eingerichtet.

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      4. Es wird.
        Kein Wunder, dass es einen erwischt – die Bazillen werden einem ja schon zur Begrüßung entgegen geschleudert und eisig ist es wirklich. Stört mich eigentlich nicht, aber so langsam reicht es auch.
        Bleib gesund!

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      5. Danke, ich gebe mir Mühe und halte mich warm, wenn mich nicht dringende Pflichten nach draußen beordern. Meine Unternehmungslust ist bei der Kälte sowieso gebremst.

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  7. danke für das lachen, das mich grade kurz entspannt hat. ich wäre manchmal froh, dieses online zeug einfach weniger im griff zu haben. zuviel kontrolle ist ungesund 😉 schriebs und tappte bestimmt gleich in irgendeine blöde falle ^.^

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