Du Depp, Sie Depp, die Deppen

Herr Mu und ich sind jetzt per Du. In Bayern geht das manchmal ganz schnell und ohne, dass es einer dem anderen anbietet. Auf dem Berg zum Beispiel. Oder beim zufälligen Feststellen gleicher Interessen oder spontaner Sympathie. Noch häufiger auch bei ausgeprägter Antipathie. So ist eine Betitelung von „Sie Rindvieh“ selten und das „ess (3. Person Plural) Deppen“ weit geläufiger. Bei Herrn Mu und mir war es ähnlich.
Seit heute Nachmittag erleben wir hier in München einen, für die Jahreszeit nicht ungewöhnlichen Wintereinbruch mit dicken Flocken und einer auf den Gehwegen geschlossenen Schneedecke. Auf einer solchen rutschte eben Herr Mu aus. Ihm hat´s richtig die Füße weggezogen und ich hätte mir Sorgen gemacht, wenn sein Schimpfen nicht augenblicklich eingesetzt und reichlich derb erklungen hätte. Der Inhalt seiner Einkaufstaschen verteilte sich auf der weißen Pracht und ich dachte mir: „Du alter Depp!“ Ich dachte diese unfreundliche Formulierung, weil ich sah, dass er Birkenstock Schlappen trug und weil ich natürlich doch erschrocken bin und mir um den alten Herren Sorgen machte.

Erst als Herr Mu: „Du, gäh! Vorsicht! I gib da glei an oiden Deppen!“ rief, bemerkte ich, dass ich wohl laut gedacht hatte. Weil Herr Mu aber grinste, grinste ich auch und schimpfte ihn, seine Einkäufe einsammelnd, noch ein bisschen weiter aus, bevor ich ihm meinen Arm hinhielt und darauf bestand ihn nach Hause zu bringen. Mit den Schuhen im Schnee….recht intelligent sei das nicht, murmelte ich und schlenderte mit ihm gemeinsam zu seiner Wohnung. Dass Herr Mu, fast genau mir gegenüber wohnte, war mir neu und wir unterhielten uns so nett, dass ich nicht mehr auf den Schnee achtete und kurz vor seiner Haustür, fast der Länge nach hinfiel. Nur fast, denn Herr Mu, der sich bei mir untergehakt hatte, riss mich gerade noch nach oben. Jetzt war er mit dem Schimpfen an der Reihe. Er hätte nicht viel Ahnung von Schuhen, teilte er mir mit, aber dass das da an meinen Füßen nicht für Schnee geeignet war, würde auch er erkennen. „Aber sie g´falln da, oder?“ zog er mich feixend auf und bestand darauf, mich nun seinerseits, über die Straße bis zu meiner Wohnung zu begleiten, was ich rigoros ablehnte, indem ich mehrfach auf seine windigen Schlappen deutete.

Mein etwa achtzig Jähriger Nachbar, Herr Meier, kam vom Einkaufen und blieb neben uns stehen. Er sah uns kurz von oben bis unten an, blieb mit den Blick an unseren Schuhen hängen und murmelte: „Oana bläda wia da andere.“* Herr Meier geht die „Du“ oder „Sie“ Frage übrigens fast immer, indem er die Menschen einfach gar nicht direkt anspricht, sondern – direkt neben ihnen stehend – über sie spricht. Auch das ist in Bayern sehr beliebt.

*Einer dümmer als der andere

40 Gedanken zu “Du Depp, Sie Depp, die Deppen

  1. Als indirekte Ansprache auch hübsch, entweder zu einem Dritten oder einfach so in den allgütigen weißblauen Himmel hinein (der vielleicht sogar ein Hirn herabwirft): „Mei, wos mocht jetzt da onda?“ [„Was macht jetzt der Andere?“].

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  2. Danke für die Warnung 😉 aber morgen hab ich (ausnahmsweise *ggg*) Winterbereifung drauf. Ich denk mal, dass die Strasse (incl. Standstreifen) in Bayern morgen sowieso geräumt sind. Ist ja nicht so wie bei den norddeutschen Oberdeppen 😀

    Liebe Grüße

    PS: den Blöd-Satz hab ich sogar ohne Übersetzungshilfe verstanden – es wird 😉

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      1. War alles super und wirklich schön zum gucken. Nur noch ziemlich viel Matsch auf den Gehsteigen…ach ja und natürlich hatte die S6 ne leichte Verspätung 😂. Bin jetzt aber schon wieder im direkten (ICE)-Anflug nach HH. Da waren heut früh MINUS 10 Grad 😳
        Morgen Solls genauso werden und Sonne satt. Ich werds genießen und nebenbei Rechnungen schreiben😎
        Ich wünsch Dir auch einen schönen Freitag❤️

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      2. Ach ja, das „depperte Weibsbild“ (also ich) hat ihre beiden wichtigsten Auftraggeber heute telefonisch in den Wahnsinn getrieben und dadurch ihre Vertragsbedingungen arg verbessert 😂😎

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  3. Dunkel kann ich mich an die bayrischen Sprachbrocken erinnern, die ich bis zu meinem achten Lebensmonat um mich herum gehört habe. Deswegen habe ich in der schriftlichen Version alles verstanden – mündlich wäre dann ein wenig verschärft und ich würde es „ablehnen“, etwas zu verstehen.
    Schnee?????????????? Is’n das?
    Grüße dafür mehrere

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  4. Leider gehöre ich auch zu der Sorte Mensch, liebe Mitzi, die bei plötzlichem Wintereinbruch mit Schnee den Müll mit Birkenstocks ohne Socken an den Füßen, also fast barfuß, zu Grabe draußen vor der Tür trägt *g*
    Liebe Morgengrüße vom Lu

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    1. Lieber Lu, ich hoffe du hast wenigstens warme Socken und bist nicht wirklich barfuß bei den Temperaturen unterwegs ;). Ansonsten wünsche ich dir gute Abwehrkräfte und immer einen festen Stand.
      Liebe Grüße

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  5. das ist auch eine äußerst beliebte art und weise in wien, anreden zu vermeiden. zu eurem schuhwerk kann ich euch beiden nicht grade gratulieren, aber gut, dass keinem was passiert ist 🙂

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  6. Ach, Sippenhaftes beleidigen befreit die Seele 😉 Aber weshalb hier die Teenager bei Schneematsch und -1 in Chuks rummlaufen ist mir auch noch nicht ganz klar geworden… Zumal, die Schuhe allen ernstes sauber bleiben.

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