Ich bin peinlich, wurde mir letztes Jahr von einem attestiert, dem ich peinlich war. Ich war peinlich berührt, weil ich an achtundzwanzig von dreißig Tagen versuche eben nicht peinlich aufzufallen. An achtundzwanzig gelingt es mir, an einem kann ich nun wirklich nichts dafür und an einem ist es mir scheissegal.
Ja, ich habe „vom Winde verweht“ umgeschrieben, mir ein alternatives Ende für Rhett und Scarlett ausgedacht und die 106 Seiten ausgedruckt in einer Schublade liegen. In einer privaten, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Schublade. Es ist nicht meine Schuld wenn das einer auf der Suche nach der Bedienungsanleitung für den Rauchmelder findet und auch noch liest. Ich fahre um ein Uhr nachts mit dem Rad zum Valentinhaus um dort heimlich das Plakat mit der Ankündigung meiner ersten Lesung zu fotografieren, weil das selbst mir tagsüber zu peinlich ist. Wer kann den ahnen, dass genau zu dieser Zeit ein Nachbar aus der Kneipe am Eck fällt und mich dabei beobachtet. Man kann sich auch ruhig mal selbst googeln. Schließlich will man wissen, wann der erste Treffen – die Liste der Fehlzeiten im Wahlfach „Sartre begreifen“ aus Unizeiten – endlich verschwindet. Das man mir nicht glaubt, dass dies mein Hauptinteresse bei der Recherche ist….ich kann nichts dafür. Auch nicht, dass ich bei der Gelegenheit garstige Kommentare über meinen Blog finde, nachfrage und jetzt bei diversen Twitteraccounts gesperrt bin. Man kann sich doch mal höflich erkundigen, ob die eine oder andere noch alle Latten am Zaun hat.
Und wer mich zum Essen einlädt, der weiß doch, dass ich Sesam so gar nicht mag. Dann muss er auch damit leben, dass ich die Honig-Sesam-Kruste der Garnelen akribisch abkratze. Dass ich das mit Messer und Gabel tue, ist dem schönen Restaurant geschuldet und ich kann nichts dafür, dass es so umständlich gut und gerne eine halbe Stunde dauert. Peinlich finde ich das nicht.
Auch nicht, dass ich regelmäßig andere Leute umrenne. Wir haben heutzutage nur noch so wenig Körperkontakt und kaum einer umarmt sich noch spontan. Wenn ich auf hohen Schuhen stolpere und einem vor dem Regal mit Teigwaren in die Arme falle, dann ist das fast schon ein Akt sozialer Nächstenliebe. Darunter fallen auch die sanften Hinweise mit denen ich meine männlichen Freunde an die Geburtstage ihrer Frauen erinnere und dafür sorge, dass sie die eigenen Hochzeitstage nicht vergessen. Man sollte sich freuen, dass ich all diese Daten in meinem Kalender stehen habe und nicht darauf herum reiten, dass ich mir etwa ein Drittel falsch notiert habe. Schließlich sind es nicht meine Frauen und man kann als Mann auch mal grundlos um Mitternacht eine Badewanne einlassen, zwei Duzend Kerzen aufstellen und das Wasser mit Rosenblättern dekorieren. Der Vorschlag kam von mir, war gut gemeint und dass die Frau jetzt eine Affäre ihres Mannes vermutet, kann nun wirklich niemand ahnen.
Genauso wenig, wie die Tatsache, dass Profilbesuche auf XING dem Besitzer des Accounts angezeigt werden. Ich weiß das erst, seit mich der Buchhalter unserer Firma an der Kaffeemaschine verstörend strahlend anlächelt. Seit dem weiß ich auch, warum die halbe Abteilung immer mich gebeten hat, sein Profil aufzurufen um den überkorrekten Menschen im sehr, sehr knappen Sportoutfit zu bewundern. Als ich mich erkundigte, hieß es nur, mir sei doch eh nichts peinlich.
Das stimmt nicht. Mir ist vieles ganz schrecklich peinlich. Das erklärte ich auch Paul, meinem Nachbarn, als ich mich bei ihm für ein ungewolltes, erneut entstandenes Chaos bezüglich seiner von mir angenommenen Pakete entschuldigte und einen Glühwein am Markt als Entschädigung anbot. Ja, das würde er mir sogar glauben, sagte er. Nur seien mir leider die falschen Dinge peinlich. Er deutete auf meine Mütze und seufzte leise. Mit dem Ding auf meinem Kopf, würde er sich in der Öffentlichkeit nicht neben mir stellen. Das wäre ihm zu peinlich.
Ein klassisches Beispiel von „Wie man’s macht, macht man’s verkehrt“… Aber sei unverzagt: Zumindest mit den Alternativenden bist du nicht allein – ich habe auch schon (zumindest in Gedanken) eine komplett neue letzte Folge für „The Golden Girls“ geschrieben – die hatten wirklich wirklich das schlechteste Finale, das ich je bei einer Serie gesehen habe…
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Das find ich ja witzig. Wie endet denn die Serie bei dir? 😛
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Hast du?
Danke! Wie auch immer das Ende aussah, es kann nur besser, zufriedenstellender und gelungener sein. Ich bin ganz bei dir. Obwohl…how I met your mother…da könntest du bitte auch noch mal ran 😉
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Bei mir hat es ein viel versönlicheres Ende gegeben. Ich fand es immer blöd, dass durch Dorothys Hochzeit mit Blanches Onkel und den Umzung nach Atlanta die Golden Girls so extrem auseinandergerissen wurden. Außerdem fand ich es schade, dass Stan auf einmal so einsam zurückgeblieben ist. Auch wenn die beiden sich gekloppt haben wie die Kesselflicker – Dorothy und Stan konnten einfach nicht ohne einander, und sie gehörten für mich zusammen.
Dadurch ergaben sich in meinem Fantasiefinale folgende Konstellationen:
– Dorothy ist endgültig wieder mit Stan zusammengekommen
– Rose ist mit Miles zusammengeblieben
– Blanche ist mit Simon aus der Herzschrittmacherfolge zusammen geblieben
– Sophias Ehemann Max aus der Doppelfolge mit den Elvis-Imitatoren ist zurückgekommen
Sie haben auch alle ihre eigenen Häuser bezogen, *aber* die Grundstücke von Sophia, Rose und Dorothy haben alle an Blanches Grundstück angegrenzt. Die Zäune wurden entfernt und zusammen haben sie einen Gartenpavillon gebaut. In der letzten Szene haben sie sich dort zum ersten gemeinsamen Käsekuchenessen getroffen. Alles neu ohne das Vertraute völlig aufzugeben…
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Schön 😊 dann wär uns auch diese furchtbare Nachfolgeserie „Golden Palace“ erspart geblieben 😉
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Danke! Auch für mich war Dorothy und Stan eine Verbindung, die auf ihre eigene Art Bestand haben musste.
Dein Ende gefällt mir. Neu mit Veränderungen aber ohne eben all das was man so lieb gewonnen hat wegzuwerfen. Nur bei Stan und Dorothy…..obwohl….ja, doch auch das passt :)))
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Ach Kleine, was ist schon peinlich. Man könnte es peinlich nennen, sich nicht mehr zu erinnern mit welchen Nick frau den letzten Kommentar hinterlassen hat. Oder zu vergessen ob frau sich angemeldet hat und wenn ja mit welchem Passwort.
Andererseits ist die Realität doch eine ganz andere.
Als große Schwester bin ich verpflichtet meine exzentrische Ader zu vervollkommnen, damit deine kleinen Peinlichkeiten als familiäre Exzentrik durchgehen.
In diesem Sinne, gegen mich bist du vollkommen harmlos und auf keinen Fall peinlich, frag mal deine Nichte oder deinen Neffen.
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So geht es mir dauernd, Große. Ich will immer besonders clevere Passwörter nehmen und dann…ich hab jetzt 1234! 😉
Exzentrisch bist du. Aber das ist eine ausgesprochen positive Eigenschaft. Meine Nichten und Neffen frage ich nicht. Bezüglich meiner Peinlichkeiten frage ich eine Generation weiter oben an. Da sitzen die, die wie ich sind. :-*
Bis ganz bald. Freu mich auf dich!
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FCB-Mütze?
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Fight Club Bayern?
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Ich will ja nicht wieder mit dem Thema anfangen, aber du als Hooligan finde ich durchaus vorstellbar 😉
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Vermutlich ist das aus deinem Mund eine Art Kompliment.
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Schätzelein aus meinem Mund kommen dich betreffend nur Komplimente.
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MÄNNER! Männer! männer! nicht alle, aber manche in einen Sack stecken und ??? Wenn nicht verknotet, dann in die Isar schmeißen! Wenn verknotet: draufsetzen und öfter mal die Sitzposition ändern!
Wer weiß, wer das schon alles bei mir gedacht hat. Umsonst!
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Gut so! Wie langweilig und austauschbar wären wir ohne unsere Peinlichkeiten. Peinlich nennen sie eh nur die, die nichts mit unseren Eigenarten anfangen können.
Draufsetzen und öfter mal die Sitzposition ändern…herrlich, Clara.
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Das schöne an den Peinlichkeiten ist, dass sie in unserer schnelllebigen Zeit eh schon wieder vergessen und von aktuellerem verdrängt sind, ehe sie sich richtig in den Köpfen der anderen ausbreiten können …
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Vor allem wenn man beständig für Nachschub sorgt. 😉
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Liebe Mitzi,
„peinlich“ bedeutet ursprünglich „Pein, Qual verursachend“
SOLLTEN Sie mal jemanden quälen, so schätze ich Sie ein, dann machen sie das absichtlich, weil derjenige es verdient hat. 😉
Also legen Sie noch eine Schippe drauf, bei dem, der Ihnen attestiert hat, dass Sie ihm peinlich sind.
Der weiß noch nicht, was echte Qual ist! 😉
Gruß Heinrich
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Ertappt, lieber Heinrich. Wenn – was so gut wie nie vorkommt – dann ist es absichtlich ;).
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Die Sache mit der Mütze und der Peinlichkeit wäre dann perfekt, wenn es keine Mütze, sondern die neue Frisur wäre.
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Deswegen hatte ich die Mütze ja auf. 😉
Nein, stimmt nicht. Keine Haarexperimente mehr.
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Ich besitze einen Zyklopen als Mütze… Nur zum Thema „peinlich“, damit sehe ich aus wie zwölf oder dreizehn und komme in sämtliche Kinos ohne Schülerkarte zum Schülerpreis hinein. Sehr praktisch… Zumal ich doch wohl hoffe, dass es nur menschlich ist viele Geburtstage oder Hochzeitstage zu vergessen. Passiert mir monatlich, peinlich ist es mir nicht. Sie vergessen es ja auch, und ich bin ihnen nicht böse.
Ich denke solange man über sich selbst lachen kann, ist das Peinlichsein eine Stufe weniger schlimm.
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Einen Zyklopen auf dem Kopf zu tragen ist überhaupt nicht peinlich. Für so eine Mütze braucht man Rückgrat und Geschmack :-*
Und ja..über sich selbst lachen zu können, ist überlebenswichtig. Es gibt Moment, in denen dich keiner anlacht oder mit dir lacht. Dann muss man es selbst tun.
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… Delikat ist eines der Synonyme für peinliche Situationen… und was sind die Synonyme für Delikat… auf jeden Fall, anregend… wie deine Begegnungsworträume…
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:-* Was für feine Synonyme. Danke!
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(✿◠‿◠)
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❤
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Irgendwie fühlte ich mich ja ertappt dabei, mich für die falschen Dinge zu schämen. Aber eine Mütze kann ich ausschließen – immerhin.
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Ich glaube bei 90% der Dinge für die wir uns schämen, ist es nicht nötig.
Außer vielleicht meine Mütze 😉
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