Nur ein Beutel

„Ich glaube, Männer haben ein ähnliches Verhältnis zu ihren Eiern wie Frauen zu ihren Handtaschen. Es mag zwar nur ein kleiner Beutel sein, aber ohne ihn fühlen wir uns in der Öffentlichkeit schutzlos.“

Obiger Satz von Carrie Bradshaw schlummert schon lange in meinem Notizbuch. Längst wäre er bei den „Gefundenen Sätzen“ gelandet, wenn er nicht eine der wenigen eisernen Konversationsregeln, die ich befolgte, brechen würde. Ich spreche nicht über Hoden. Wirklich….es ist mir ein Rätsel, wie etwas so nützliches von der Natur so unästhetisch hervor gebracht werden konnte. Über Hoden spreche ich nicht und Sätze, die sie thematisieren, zitiere ich nicht. Genauso wenig, wie ich über Handtaschen und Frauen schreibe. Darüber hat schon jeder versucht etwas kluges oder wenigstens amüsantes zu schreiben. Zweifellos gelingt das sogar. Erst kürzlich bekam ich Buch geschenkt, das ausschließlich darüber berichtet. Herrlich. Aber ich, ich muss nicht auch noch etwas dazu sagen. Eine Tasche ist ein Gegenstand zum Transportieren von Dingen, die nicht in die Hosentaschen passen. Oder in den BH. Zwischen Sechzehn und Einundzwanzig hatte ich nie eine Tasche dabei. Die störte beim Tanzen. Alles was ich brauchte stopfte ich mir in den BH. Eine Monatskarte, zwei Geldscheine und einen einzelnen Schlüssel kann man problemlos so unter die Brust schieben, dass es überhaupt nicht auffällt. Beim Bezahlen an der Bar natürlich schon. Da sieht es etwas seltsam aus, wenn man sich in den Ausschnitt fasst. Dafür ist es sicher. Ich habe noch nie gehört, dass einer Frau etwas aus ihrem BH gestohlen wurde. Ab einem gewissen Alter – so Mitte Zwanzig – geht das mit dem BH nur noch auf der Wiesn oder beim Laufen. Bei allen anderen Gelegenheiten hat Frau meistens eine Tasche bei sich.  Eine große.

Klar, so eine Tasche, die einen durch den Alltag begleitet, wächst ja auch. Ich zum Beispiel bin erst seit kurzem mit dem Inhalt völlig zufrieden. In den Jahren zuvor hatte ich entweder zu wenig oder zu viel bei mir. Jetzt ist es perfekt. Einen perfekten Handtascheninhalt erkennt man daran, dass man alles was darin ist, mindestens einmal im Monat (nein, keine Tampons) unbedingt braucht, also kein unnützes Zeug mit sich herumschleppt und zugleich mit dem Inhalt der Tasche ohne zu zögern ein Wochenende über die Runden kommt. Wollen Sie wissen was in eine gute Tasche rein muss? Ich verrate es Ihnen gerne. Ich entmystifiziere sicher nichts. Es gibt auch keinen Codex, der das Ausplaudern des Tascheninhaltes verbietet. Es sind Beutel, die…..siehe oben. Und ich habe eh nicht viel bei mir.

Über Geld, Kreditkarte, Schlüssel und Ausweis müssen wir nicht sprechen, das versteht sich von selbst.
Auch Tabletten. Wenn Sie nicht hundertprozentig sicher sind, dass Sie jeden morgen im eigenen Bett aufwachen, dann müssen ein paar davon im Geldbeutel sein. Amouresken oder der spontane, brennende Wunsch jetzt sofort eine andere Stadt zu besuchen, machen das unabdingbar.
Ein Paar Socken und ein Slip. Bitte….ich weiß, was Sie denken. Aber das meine ich nicht. Es ist für Spaziergänge die manchmal etwas länger dauern. Mit dem mutigsten meiner Freunde ging ich einmal in Genua spazieren. Abend wollten wir mit dem Zug zurück nach Verona. Sind wir aber nicht, wir liefen sechs Stunden immer geradeaus. Ohne Ziel und ohne Grund. In der kleinen Pension, in der wir übernachteten, vermisste ich nichts. Nichts, außer frischer Wäsche. Das passiert mir nicht noch einmal. Außerdem sind manche Wohnungen so kalt, dass man sich bei einem Besuch gerne ein zweites Paar Socken anzieht.
Ich nicht. Ich habe für solche Fälle dicke Wollsocken in der Tasche. Auch falls ich spontan auf unsere Hütte fahre. Da brauch ich nichts, außer Wollsocken.
Und eine Zahnbürste. Die ist  immer in der Tasche. Auch, falls es mittags in der Kantine etwas mit Petersilie gibt.
Und Make up. Falls ich abends noch mal direkt los möchte. Oder weil im Büro eine Kollegin, Mascara, Lipgloss, Puder, Eyliner, Abdeck- und Augenbrauenstift, tiefroten oder rosenholzfarbenen Lippenstift braucht. Ich hab es dabei.
Auch Pflaster, Und Feuchttücher. Hand-, Fuß- und Sonnencreme. Ich habe alles.
Auch den Backenzahn einer Kuh. Das ist mein Glücksbringer. Er hilft nicht, aber nach all den Jahren traue ich mich nicht mehr ihn wegzuschmeißen. Vielleicht brachte er ja doch Glück und ich hab es nur nicht bemerkt.
Buch, Notizbuch und Stifte, haben wir alle bei uns. Ich noch Briefumschläge und Briefmarken. Wer kann schon wissen, wann er dringend etwas schreiben und verschicken muss.
Die wichtigsten Fotos sind mittlerweile gottseidank auf dem Handy. Mein Kalender nicht. Da traue ich der Technik nicht.
Ansonsten habe ich eigentlich nur noch eine Kastanie, eine Pfandmarke aus einem seit zehn Jahren geschlossenen Club, drei sehr wichtige Postkarten und eine Taschenlampe dabei.
Ach ja, Pfefferspray noch. Von meinem Papa. Weil ich aber nicht weiß wie das zu entsichern ist und das lieber nicht probiere um mir selbst nicht weh zu tun, habe ich statt dessen einen alten Tannenzapfen dabei. Zum Werfen. Ok, ich bin ehrlich. Keine Ahnung warum er in meiner Tasche ist.

Sie sehen, es ist nicht viel. Das wirkliche Phänomen ist, wie eine Frau, die ohne all das oben aufgeführte nicht überleben kann, mit einer Clutch durch die Nacht kommt. Aber das kann ich Ihnen nicht verraten, das ist nun wirklich ein Geheimnis.

Sie entschuldigen mich, ich muss meine Handtaschen durchsehen. Es sind ja nur Beutel und in meinem Schrank herrscht Platzmangel. Ich werde einige aussortieren. Das fällt mir leicht. Ich brauch nicht viel.

38 Gedanken zu “Nur ein Beutel

  1. Liebe Mitzi!

    Schade, dass Sie das Geheimnis, wie man ohne diese Dinge in einer Handtasche nicht leben kann, hier lüften. Ich habe nämlich noch nie eine Handtasche besessen. Und ich muss gestehen auch keinen BH. Ich habe mein Geld ganz simpel in einem selbstgebastelten Geldbeutel verstaut, der dann in der Hosentasche landet. Das wars. Mehr braucht man nicht. Aber wir Kühe sind da vermutlich ein wenig anders gestrickt. Zum Glück. Viel Erfolg beim aussortieren Ihrer Wanderausrüstung 🙂

    Herzliche Grüße
    Mallybeau

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  2. Männer sind gegenüber Frauen im Nachteil: An ihrem Beutel ist ja nicht einmal ein Reißverschluß! Aber davon abgesehen wären Männer auch heillos überfordert mit der Menge am Allernötigsten, was Frauen so brauchen, selbst die paar Dinge, die Du dabei hast, ist doch immer wieder zu beobachten, daß sie fast panisch danach greifen, um sich zu vergewissern, ob noch alles da ist – puh! – aufatmen, sind noch beide da, die kleinen Kügelchen. Mehr wäre eine echte Überforderung.

    Wenn der BH das Portemonnaie ersetzt, was macht frau dann mit dem Wechselgeldmünzen? Oder sagst Du immer: „Stimmt so!“?

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  3. Ich kann nicht glauben, dass Frauen wissen, was in ihren Handtaschen ist. Sie greifen nur ab und an suchend hinein und manchmal ist eben drin, was gerade gebraucht wird. Wer das wann da reingetan hat, ist völlig unklar, vermutlich hat es sich gerade erst materialisiert.

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  4. Selten so gelacht! Ich will eine leichte Tasche, deshalb liegt nur das „Nötigste“ drin. Aber ich habe Freundinnen, die führen alles mit, was man so braucht. Ich fühl mich wohl mit ihnen, man kommt nie in Verlegenheit, sie helfen einem immer aus. Sogar ein kleines Tupperdöschen hatte eine dabei!!

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    1. Freut mich, dass ich dich zum Lachen brachte. So soll es sein. Ein Tupperdöschen ist praktisch. Dafür habe ich leider keinen Platz mehr. Zum Glück schleppt aber jede etwas anderes mit sich herum und man kann sich aushelfen.

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  5. es gibt wenig persönlicheres als den handtascheninhalt. die kleinen dinge, die man mitschleppt, weil sie irgendeine bedeutung haben. bei mir ist das aus vernunft wesentlich weniger geworden. ich reise mit leichtem gepäck und spontane übernachtungen finden bei mir (leider? 😉 ) nie statt, daher kann ich ein paar utensilien getrost weglassen. das clutch-phänomen würde ich allerdings auch zu gerne eines tages verstehen. und ich musste sehr schmunzeln. handtaschen störten beim tanzen. oh ja. ich trug immer ausgebeulte jeans, schlüssel, fahrschein und handy hatte ich in den hosentaschen, nur das geld war im BH 😉

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  6. Mit meinem Studienfreund Nebenmann war ich einer Meinung, dass das Mysterium von Damenhandtaschen nicht gelüftet werden dürfe. Die Scheu, in fremde Taschen zu schauen, sinkt ja angesichts der unzähligen Spitzel- und Stalking-Möglichkeiten, die das Internet bietet. Damit geht eine sinkende Achtung vor dem Privaten einher, die dann auch die Entzauberung der Handtaschen möglich macht. Mein Freund sandte mir vor Jahren eine empörte Mai und schrieb: „Da habe ich doch kürzlich in einem Pseudo-Kulturteil einer Zeitschrift gelesen, dass irgend so ein Schnösel sich an unseren Phantasien vergangen hat und die Geheimnisse der Damenhandtaschen zu seinem Thema machte.(…) Also: als Verlust abschreiben, wieder ein Mysterium weniger, (…).“

    Ich habe deine Aufzählung nur überflogen, denn ich wills demgemäß gar nicht wissen, liebe Mitzi.
    Denn jeder Mann hüte sich davor, in die Handtasche einer Frau zu schauen. Der Blick würde nicht nur die Handtasche, sondern auch die Besitzerin entzaubern.

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    1. Auch ich möchte keinesfalls, dass man ungefragt in meine Tasche blickt oder sie am Ende sogar einfach ausleert. Ein Unding. In meinen Augen ist das ähnlich wie sich gegenseitig beim Zähneputzen zu beobachten – das macht man nicht ;).
      Auch wenn du es nur überflogen hast, lieber Jules. Das wirkliche Geheimnis bleibt bestehen. Es ist die Frage warum wir unser Herz an so einen Beutel hängen und welche Geschichte mit ihm verbunden ist. Denn die gibt es immer – die Geschichte zur Tasche. Dennoch gefällt mir der Gedanke, dass du etwas nicht liest um einen Zauber zu bewahren. In diesem Fall freut es mich sogar, dass du etwas von mir nicht liest, lieber Jules.

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  7. Mitzi, was habe ich gerade gelacht. Ein Taschenmesser habe ich, auch tausend anderer deiner Sachen – aber das würde bei mir nie und nimmer in eine Tasche passen, deswegen habe ich mich auch seit Jahren für einen großen Rucksack entschieden. Gib zu, deine Tasche ist so ein Modell mit Rollen darunter und mit ausziehbarem Griff 🙂
    Obwohl ich mehrere Rucksäcke habe, trage ich immer nur einen – es ist ja so mühsam, den halben Haushalt umzuräumen, nujr weil ich plötzlich einen lila Rucksack nehmen will.
    Weiter so – einen Ersatz“schlüppi“ braucht frau – du vielleicht aus anderen Gründen als ich. Nur auf die Socken bin ich noch nicht für ständig gekommen – ich nehme sie nur – mit Noppen an der Sohle – wenn ich Besuche mache.
    Ganz lieben lustigen Gruß von Clara

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    1. Liebe Clara, Rollen braucht meine Tasche noch nicht, aber elend schwer und groß ist sie. Wäre nicht schon so viel darüber geschrieben worden….ich könnte Seiten über das Kramen und Suchen darin schreiben.
      Die Noppensocken mag ich auch sehr gerne. Ich hab nur keine, weil eine liebe Verwandte seit Jahren dicke Wollsocken für mich strickt. Immer die gleichen. Ich liebe sie so innig, dass ich mir kein anderes Paar zulege ;).
      Liebe Grüße
      Mitzi

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  8. Ich les ja schon lang bei dir mit, aber heute war es mir ein besonderes Vergnügen. Darum schreib ich mal was und hab auch extra an die mir so unsympathischen Knöpfchen gedacht.
    So, und nun miste ich meine Beutel aus. Großartig ❤

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  9. Köstlich und es verleitet dazu den eigenen Tascheninhalt zu überdenken. Ich habe noch eine Tonkabohne im Geldbeutel, angeblich weil das Geldsegen bringt, wie du warte ich noch darauf dass das in Erfüllung geht. Manchmal Socken, keinen Slip, ich bin kein Fremdschläfer mehr, aber dafür mehr Medizin, eben altersgemäß und natürlich Zigis und diverse Feuerzeuge. Aber immer und das ist mein wichtiges Utensil: meine Kamera. Liebe Grüße, Sylvia

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