Sonntags Liebe

Das achtzehnjährige Teenagermädchen schleudert sein Smartphone durch den Flur und brüllt, dass sie den blöden Arsch nie wieder sehen möchte. 
Meine doppelt so alte Freundin Hannah am Telefon überlegt ob sie den Idioten, der ihr die letzten Monate Zeit und Nerven raubte, auf WhatsApp nicht besser blockieren sollte.
Der Teenager jault auf, weil das Telefon im Arsch ist und der Arsch sie nun nicht mehr erreichen kann.
Hannah flucht, weil sie feststellt, dass sie den Idioten schon gestern, nach dem dritten Glas Wein blockiert hat und nun nicht weiß, ob er nächtens nicht etwas versöhnliches geschrieben hat.
Ich löffle Kartoffelsuppe und deeskaliere. Reiche mein eigenes Smartphone der einen und lüge die andere an, indem ich behaupte, dass Nachrichten nach dem Entblocken selbstverständlich nachträglich zugestellt werden.

Sie würde Screenshots an die Ex schicken, droht der Teenager.
Man könnte der Frau einen Besuch abstatten, überlegt die Hannah.
Nein! Karma is a bitch, erinnere ich beide.
Wer ist Karma, fragt der Teenager. Ob er noch eine hat, der Arsch?
Das Karma könne sie mal, zischt meine Freundin.

Der Teenager steht am Balkon und hämmert heulend mit den Fingern auf das Display meines Telefons.
Hannah fragt sich ob sie im Stande wäre die Radmuttern an einem VW Golf zu lösen und lacht diabolisch, als ich mich erkundige, seit wann sie einen Golf fährt.
Ich stelle den Suppenteller in die Spüle und suche in meinem Adressbuch nach der Nummer der Haftpflichtversicherung und der E-Mail Adresse des Studienfreundes der mittlerweile erfolgreich als Strafverteidiger arbeitet.

Der Teenager schließt sich vor Wut heulend ins Badezimmer ein, um die Antwort auf ihre wüsten Beschimpfungen via SMS in entsprechend dramatischer Atmosphäre auszukosten.
Hannah schluchzt am Telefon, weil sie dem eben Entblockten das geschrieben hat, was ihr spontan durch den Kopf schoss und als Antwort ein Fragezeichen ohne Emoji bekam.

Im Badezimmer wird telefoniert. Meine Nachbarn freuen sich über das Gebrülle, Geheule und Gekeife.
Am anderen Ende der Stadt brüllt Hannah durch die Wand zurück, weil die Nachbarn sich über ihr lautes, emotionsgeladenes Aufstampfen beschwert haben.
Ich erkläre meiner Nachbarin, dass emotionale Grenzfälle nicht unter sonntägliche Ruhestörung fallen.

Das Teenagermädchen fällt mir in die Arme, schmiert verlaufene Wimperntusche an meinen Lieblingspullover und will wissen, ob es leichter wird. Später, als reife Frau.
Hannah flüstert durch den Hörer, ich soll sie ihr geben. Ich reiche das Telefon weiter.

Aus pädagogischen Gründen, da sind Hannah und ich uns einig, lügen wir keine uns nahe stehenden Kinder an.
Es ist ein großes Glück, das Hannah den Teenager nicht besonders gut kennt.

Der Teenager trifft sich mit dem Arsch, der jetzt wieder Leon heißt.
Hannah steht unter der Dusche, weil die Frau von dem, der vorhin nur ein Fragezeichen geschrieben hat, am Abend mit Freundinnen unterwegs ist und er nun doch Zeit für den außerehelichen Beischlaf hat.

Ich frage einen via SMS ob er mich für eine reife Frau hält. Wenn er mit ja antwortet, werfe ich mein Handy an die Wand und rufe Hannah an. Vom Festnetz.

 

 

 

31 Gedanken zu “Sonntags Liebe

  1. Hab gerade bei der Tochter angefragt, wie reif ich bin…wohl nocht nicht ganz ne weiche Hass-Avocado, war die Antwort. Als ich doch ein wenig empört war, kam nur: Mum, Du bist Mitte 40, was denkst DU denn? Halloooo. Da tröstet es mich doch ein wenig, in frischen Messages nachzulesen. Da steht eindeutig: Hottie *grins* . Will sagen, reif werden wir später, jetzt sind wir HOT 😉 Du noch länger als ich. Hab einen schönen Sonntag 🙂

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    1. Reif ist ok. Da ist es noch ein langer Weg bis zum Fallobst. Die Hass-Avocado würde mich da eher irritieren *lach. Andererseits…die Dinger sind verdammt lecker. Und du sowieso. Und heiß. Das weiß ich ja jetzt :)Einen schönen Sonntag auch dir.

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  2. Hach … Es liegen Herbstgefühle in der Luft, oder? Hier ist es eher knisternde Unsicherheit, die in der gesamten WG-Luft liegt. Definitiv also noch nicht reif. Die junge Dame kann sich also glücklich schätzen, nicht reif zu sein, denn es würde so viel Spannung nehmen. 🙂

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    1. Wird es auch nicht. Aber man muss das Kind ja nicht schon jetzt desillusionieren. Außerdem…was wäre das Leben ohne auf und ab langweilig. Und noch mehr außerdem….leichter wird es nicht, aber man lacht viel schneller darüber. Das würde sie aber wohl nicht glauben.

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  3. Männer und Frauen, Frauen und Männer – ein wohl kaum lösbares Problem. Da kann man nur rechtzeitig den Lieblingspullover gegen einen anderen austauschen und das Smartphone mit Schaumstoff polstern.

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  4. Huch – kannte ich dich damals noch nicht? Weder ein Like noch ein Kommentar waren von mir da – das muss sich ändern.
    Ich kann mir beide so richtig plastisch vor mir vorstellen – ist aber auch eine Sch…situation, wenn die Männer verrückt spielen und man nichts so richtig dagegen machen kann.
    Schönen Sonntag – er wird allgemein der „Dritte Advent“ genannt.

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    1. Liebe Clara, damals hab ich ja so wahnsinnig viel geschrieben, da ist vielleicht einfach das Leben dazwischen gekommen. Es ist nicht leicht mit den Männern, aber so ganz ohne dann auch ein wenig fad. Auch dir einen schönen dritten Advent und liebe Grüße

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