Synchron tanzende Männer? Ich bitte Sie!

Ich bin kein Fan. Von nichts und von niemanden. Ich mag Menschen, manchmal auch Musiker und ich mag Dinge, Orte oder Begebenheiten. Als Fan würde ich mich trotzdem nicht bezeichnen. Mit großem Glück und einem ersten, fünf Jahre älteren Freund, ging auch der Kelch zum Boy-Band Fan zu mutieren an mir vorüber. Synchrontanzende Männer fand ich albern. Als die tanzend Deutschland eroberten, saß ich in einer Garage und beobachtete, wie mein Freund seine Vespa frisierte. Konzertkarten konnte ich mir bis in die Zwanziger nicht leisten. Ich saß mit meinem Freunden mit einem Kasten Bier an der Isar und wir hörten die Charts im Radio. Eingestiegen bin ich erst, als ich mir einen lebensgroße Pappfigur von Robbie Williams kaufte und begann Romane zu schreiben. Nicht im übertragenen Sinn – ich schrieb drei- bis achthundert Seiten lange Romane. Über Robbie Williams. Fast über Robbie Williams. In meinen Erzählungen war er Maler, Schreiner oder Student und ich lieh mir nur sein Äußeres, seinen destruktiven Lebensstil und seine Angewohnheit in den Neunzigern wild kopulierend durch die Lande zu ziehen. Woher ich weiß, dass er das tat? Ich stand in der Hotelbar (fast) neben ihm und konnte es beobachten. Aus Recherchezwecken. Man kann nicht vernünftig über einen Maler schreiben, wenn man ihn nicht live beobachtet hat. Mit etwas Phantasie ist es ein leichtes die aufgedonnerte Blondine durch eine Leinwand und das Glas in der Hand durch einen Pinsel zu ersetzen.

Ich war alles andere als ein Fan, als ich mit meiner Freundin vor einigen Jahren nach London fuhr, weil wir Konzertkarten für ein äußerst exklusives Konzert von diesem lächerlichen, aber extrem faszinierenden Williams gewonnen hatten. Gewonnen im Sinne von: Die Karten sind nicht kostenlos, das Hotel und den Flug müsst ihr buchen und bezahlen, aber immerhin dürft ihr rein. Man könnte mir unterstellen, dass ich doch ein Fan gewesen bin, weil ich am Vorabend des Abflugs mit einer Entzündung des Sehnervs in der Notaufnahme des Krankenhauses saß. Möglicherweise fragt nur ein Fan das Krankenhauspersonal ob der Tropf, an dem man hing, nicht etwas weiter aufgedreht werden könne, weil man ja noch packen müsse. Auch der behandelnde Arzt hätte mich als Fan, wenn nicht als völlig durchgedreht, bezeichnet, als ich mit ihm verhandelte ob eine wirklich dunkle Sonnenbrille nicht genauso effektiv wie geschlossene Augen sein. Nur die Krankenschwestern konnten ihn davon überzeugen, dass mein Verhalten völlig normal war. Schließlich hatte ich eine von nur 500 Karten gewonnen und seit Jahren gab es kein Konzert. Der Maler und Dachdecker, der im echten Leben Popstar war, soff sich schließlich gerade zu Tode und es war nicht auszuschließen, dass es sich um eine der letzten Gelegenheiten handelte, ihn live zu sehen.

Nur weil ich nicht auffallen wollte, saß ich morgens um sieben im Nieselregen auf Londoner Pflastersteinen in einer nicht enden wollenden Schlange von Fans und ließ mir gegen Mittag die Nummer 68 mit Edding auf den Handrücken malen. Als echter Fan hätte ich auch nicht die Schlange verlassen um mir in dem an die Halle angrenzenden Café einen warmen Tee zu holen. Dass ich meine Freundin zurück ließ, um die Plätze zu verteidigen ist nebensächlich. Als echter Fan hätte ich auch den Bassisten der Band erkannt, der neben mir stand. Der unterhielt sich nämlich mit mir und mit Fans machen die das in der Regel nicht. Vielleicht wollte er auch endlich nur selbst an den Teeautomaten. Ich blockierte den nämlich ziemlich lange, weil ich fast blind war und durchnässt so mit den Zähnen klapperte, dass ich die Knöpfe nicht richtig drücken konnte. Sehe ich mir heute die Fotos von damals an, ist es auch möglich, dass er Angst hatte, dass ich vor seinen Füßen umkippe und er Sorge hatte, dann nicht einfach abhauen zu können. Ich sah schon sehr mitgenommen aus.

Ein echter Fan wäre auch gerannt, als es zum Einlass kam. Ich rannte nur bis zum ersten Kabelstrang und stolperte dann dramatisch. Aufgestanden bin ich nur, weil mir meine Freundin ein „RENN!!“ zubrüllte und mich hochriss. Sie ist auch kein Fan. Wir wollten nur vorne stehen, weil da die Luft bekanntlich etwas besser ist und man mehr Platz hat. Entgegen der landläufigen Meinung wird hinten viel mehr gedrängelt. Da wollen nämlich alle ständig aufs Klo. Wie es zu den noch heute vereinzelt auf Youtube zu findenden Aufnahmen von uns kommt, die uns mit offenen Mündern und glänzenden Augen in diversen ersten Reihen zeigen, kann ich nicht erklären. Es muss sich um Fälschungen handeln. Obwohl Sie sich das sicher denken können, möchte ich Ihnen ans Herz legen die Kombination „Mitzi, London und Robbie 2009“ nicht zu googeln. „2006 und 2003“,  „Manchester und München“ bitte auch nicht. Vielleicht googeln Sie mich besser überhaupt nicht im Zusammenhang mit Popstars. Es ist nicht meine Schuld, dass ich für die Stones zu jung bin.

„Juli. Erste Reihe.“ Mehr stand nicht in der SMS, die mir meine Freundin Anfang des Jahres schickte. Mehr musste sie auch nicht schreiben. Wenn Sie am Samstag im Münchner Olympiastadion von einer kleinen Blondine überrannt werden und meinen mich zu erkennen, dann bin das sicher nicht ich. Ich bin kein Fan. Der Arzt meines Vertrauens, der ab und zu mit einer Flasche Wein vor der Tür steht, sieht das anders. Ich fragte ihn was man gegen eine akute Blasenentzündung machen könne und er antwortete nur, dass es sicher hilfreich sei, nicht zwölf Stunden in der prallen Sonne auf dem Boden zu hocken. Wenn er duschen geht, durchforste ich sein Handy nach Telefonnummern von weiblichen Kollegen. Die haben mehr Verständnis und sicher einen Tipp.

Das mit der lebensgroßen Pappfigur und wie man es in fünf Minuten schafft eine eingeschworene Fangemeide gegen sich aufzubringen, können Sie hier nachlesen. Und wie ich gerade feststelle auch hier noch einmal  

19 Gedanken zu “Synchron tanzende Männer? Ich bitte Sie!

  1. Ich wollte nie nie niemals das-erinnert-mich–an:kommentare schreiben, aber hej: das erinnert mich an neil diamond, für den ich anfang der 70er zu jung und der ende der 00er zu alt für mich war. ein fan war ich nie. das war liebe 🙂

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  2. Liebe Mitzi!
    Als Nicht-Fan hat man es wirklich nicht leicht. Was man nicht alles ertragen muss. Blasenentzündung, Augenentzündung, Stürze, … wie gut, dass Sie als Nicht-Fan niemals jemanden überrennen würden. So kann ich beruhigt ins Wochenende gehen und werde auch nicht nach Mitzi und Robbie googeln 🙂
    Herzliche Grüße von einer Nicht-Fanin
    Mallybeau

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  3. Die jüngste und kleinste der Lästerschwestern war am 11. hier in HH – jetzt kann ich mir einigermaßen vorstellen, was sie so durchmachen musste 😉 . Sie schickte nur ein sehr lautes Video in den Schwesternchat, das ich mit: „OMG ist der schmalzig!“ kommentierte. Worauf ich von allen Seiten heftigsten Widerspruch erhielt. Rausgeschmissen aus dem Chat haben se mich nicht, …noch nicht. Mal sehen, was passiert, wenn ich nächstes Mal mit „Rooooooobert!“ kommentiere 😀

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    1. Vielleicht passiert gar nichts. Ich finde der Kerl ist jetzt alt genug um die Verkleinerungsform aus dem Namen gestrichen zu bekommen ;).
      Über „schmalzig“ hätte ich gelacht. Da gibt es wirklich grausames. Wäre ich nicht in der ersten Reihe, würde ich dann auf die Toilette gehen.
      Aber der Rest…OMG!

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  4. Und am Ende dachte ich mir: Mitzi und Robbie, da war doch was … Danke für die freundliche Erinnerung. 🙂 Auch wenn du kein Fan bist, vielleicht kannst du dich ein wenig daran ergötzen, dass ich nicht wenig neidisch auf dich bin, denn du darfst so tun, als würdest du Robbie anschmachten (Hach …) … Und das obwohl ich aus meiner Verehrung für die Backstreet Boys weder mit Neun noch mit Neunundzwanzig einen Hehl gemacht habe, während Take That nie so meins war. Aber Robbie … Naja, ist halt Robbie, gell?

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