Feiertag

Ich mag es, wenn es heiß ist. So heiß, dass man glaubt man würde gegen eine Wand laufen, wenn man vom Schatten in die Sonne tritt. Die Hitze macht mich müde und schläfrig und ich schleiche durch die Straßen meines Viertels. Ab 30 Grad kann ich in der Sonne nicht schnell gehen. Ich schlurfe so langsam, dass mich alle Rentnerehepaar problemlos überholen können. Das dürfen sie ruhig – ich hab es ja nicht eilig und meine Langsamkeit ist Balsam für die Seele. An Tagen, die kein Sonntag sind und trotzdem Feiertag erhole ich mich. Dann mache ich am liebsten gar nichts. Besonders gut geht das an den brüllend heißen Sommertagen. Biergarten? Nein danke, da muss ich ja erst einmal hinkommen. An den See? Fein, aber lieber an einem Samstag und nicht heute. Heute reicht mir mein kleines Viertel. Das ist genauso schläfrig wie ich.

Wer wach sein möchte, wer sehen und gesehen werden will, der geht runter an die Isar. Legt sich ins Schyrenbad oder stürzt sich ins Glockenbachviertel. Wer lieber nichts tut, bleibt in Giesing oder einem der anderen Viertel, die nicht auf den ersten Seiten der Reiseführer stehen. Da ist es heute schön ruhig. Wenige Straßen, die mit den Cafés, Biergärten und Restaurants, sind belebt, der Rest dämmert vor sich hin. Das können wir Münchner gut. Wir sitzen freilich auf unseren Balkonen, fast alle Bänke sind besetzt und auf den Steinmäuerchen vor den Vorgärten sitzen Kinder. Trotzdem ist es ruhig, fast still. Die anderen, die die Stille stören könnten, sind alle unterwegs. Wer geblieben ist, der dämmert vor sich hin, redet automatisch etwas leiser und schlurft recht langsam durch die Straßen. Autos fahren kaum. Wo sollten sie auch hinfahren? Sie sind ja schon in den Bergen, am See oder den anderen Vierteln, in denen heute mehr los ist. Laufen tut auch keiner. Es ist viel zu heiß. Hetzen eh nicht. Wohin auch? Heut ist Feiertag und alles hat zu. Gott lob. Weil Fronleichnam ist und weil ich ihm zu verdanken habe, dass hier noch keine Läden sonntags offen haben. Irgendein Nachbar hat schon das was fehlt und wenn er es nicht hat, dann gibt es das heute halt nicht.

An so ruhigen, fast stillen, Feiertagen darf man „rumsandln“. Dem Dolce Vita frönen und das Nichtstun genießen. Man kann ja nicht anders. Ich müsse saugen. Dringend. Würde ich es heute tun, Herr Meier würde an meinem Verstand zweifeln und mir noch vor Frau Obst eine Standpauke halten. Der Gute! Heut wäscht auch keiner. An Feiertagen hängt man die Wäsche nicht in den Innenhof. Zum Glück! Ich müsste nämlich eigentlich, aber weil ich nicht darf, muss ich doch nicht. Für die Berge und den See ist es jetzt zu spät. Ich sitz mit einem Eiskaffee (die Eisdiele hat nämlich auf) auf dem Balkon und spitz die Ohren. Heut hört man ja, was man sonst nicht hört. Jetzt grad, das Rauschen der Blätter im Wind von den drei Bäumen bei meinem Balkon; die fette Hummel, die sich auf die ersten Blüten in meinen Kästen stürzt und das leise Murmeln von Herrn Iwanov, der sich nicht laut telefonieren traut. Ab und zu höre ich wie Herr Meier unten in der Kneipe leise rülpst. Die hat zwar zu, aber er sitzt trotzdem davor und trinkt sein Radler, das er sich selbst mitgebracht hat. Irgendwo klappern Teller und ein Skatboard schreddert durch die Straße, bevor es wieder still wird. Wenn der leichte Wind sich dreht höre ich die Live Band aus dem Biergarten des Schinkenpeters. Aber nur ganz leise. Einschläfernd sind diese Geräusche. Und schön. Es ist das leise Murmeln der Stadt, wenn sie vor Hitze ächzt und stöhnt.

Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich hab heut Feiertag. Keine Muse für ein Beitragsbild und die Schlagworte. Als Entschädigung bekommen Sie das Bild eines Hundes. Der stöhnt auch. Ich glaub aber, dass er wegen seines Frauchens streikt. Das ist ähnlich gekleidet, aber nicht so zierlich. 

26 Gedanken zu “Feiertag

  1. So wunderbar wie Sie das beschreiben, möcht‘ man glatt ein Münchner sein!
    Gut übrigens, dass Sie nicht an die Berge – da isses auch heiß.
    [Jetzt kommen mir das beabsichtigte Kompliment und der Satzbau ein bissl komisch vor, aber das ist vielleicht die Hitze.]

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    1. Ich seh da nix komisches :).
      Die Berge sind fein. Am feinsten aber halt doch unter der Woche. Deshalb bin ich da ab nächsten Freitag auch wieder für eine Woche. So sehr ich meine Stadt mag, meine Berge brauch ich auch ab und zu.

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    1. Es sind auch nur einige Tage, an denen die ganze Stadt dampft. Sonst kann man es dank vieler Bäume, der Isar und reichlich Schatten oder Wasser ganz gut aushalten. Das Meer fehlt uns halt 😉

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  2. Schmunzelnd gelesen, doch als ich das las: „… Ich glaub aber, dass er wegen seines Frauchens streikt. Das ist ähnlich gekleidet, aber nicht so zierlich.“ hat sich das Lachen in lauten Tönen Bahn gebrochen. Phantasie habe ich zum Glück ausreichend, auch wenn anderes fehlt.

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      1. Daraus muss ich schlussfolgern, dass die Frau mit dem pinkfarbenen Kleid keine Fantasie hatte, denn sonst hätte sie auf das Kleid verzichtet.

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  3. Deshalb liegt Muenchen auch im Sueden….ganz langsam wurde die suedeuropaeische Lebenskultur bei Hitze uebernommen….vielleicht heisst es deshalb auch Monaco:-)

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  4. Liebe Mitzi,
    entweder liegt es an meinem grauen Star, oder Ihr Farbband ist schon sehr abgenutzt. Ich habe den Eindruck, die Schrift wir immer hellgrauer.

    Da war das Farbband noch in Ordnung

    Es ist kein „Problem“, das nur in Ihrem Blog sichtbar wird. Im gesamten Internet gibt es vorrangig nur noch hell bis hellhellgraue Schrift. Ist jetzt wohl modern?!

    Da es mir aber heute, bei dem neuen Artikel besonders aufgefallen ist, kann es ja sein, dass Sie ein neues WordPress-Design ausgewählt haben, das noch heller als das alte ist?!

    Gruß Heinrich

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    1. Lieber Heinrich,

      die vorgegebene Farbe meines WPDesign ist tatsächlich ein sehr schönes aber auch sehr schwer lesbares helles grau. Seit einiger Zeit ändere ich die Farbe daher in gewöhnliches, aber gut lesbares schwarz.
      Beim letzten Artikel habe ich es nicht gemacht. Ich tippte ihn über das Handy und jegliche Sonderfunktion ist dort für mich kaum zu finden. Jetzt habe ich es nachgeholt.

      Herzliche Grüße und danke für den Hinweis

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  5. Im heidnischen Niedersachsen ist Fronleichnam leider kein Feiertag. Wenigstens kann ich bei dir eine wunderbare feiertägliche Impression lesen. Als Kind habe ich die Fronleichnamsprozession geliebt, wenn auf allen Straßen ein Teppich aus Blumen lag, über den nur der Priester mit der Monstranz schreiten durfte. In einer Straße unseres Dorfes war der Teppich aus gefärbten Sägespänen mit religiösen Motiven, die künstlerische Arbeit von vielen Stunden. Ich bin schon lange nicht mehr gläubig, denke aber gerne zurück an fest verwurzelten Glauben, der solche Volkskunst hervorbringt.
    Heiß war es in Hannover auch nicht. Es hat gewittert und geregnet.

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    1. Eine schöne Erinnerung, lieber Jules. Ich mag es, abseits der Glaubensfrage, wenn einzelne Straßenzüge geschmückt sind und Junge Birken der Straßenrand säumen. Blumenteppiche kenne ich aus Italien. In München sind sie leider nicht zu finden.

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  6. ich konnte das früher sehr gut. das dolce vita an heißen tagen. ich hab das verlernt, seit es keine sommerferien mehr gibt und weihnachtsferien und osterferien und die freien tage urlaub heißen und irgendwie im vergleich zu früher so beschränkt sind. mein körper will rumsandeln, aber mein kopf hält es nicht gut aus. lebenswertmomente sammeln, freizeit nicht vergeuden. ich hoffe, dass das eine phase ist, denn ich vermisse diese stimmung an diesen heißen tagen sehr. an denen die sekunden ziehen verrinnen wie honig und der tag langsam ins land geht, ohne zu fragen, was morgen ist.

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    1. Ergeht mir ganz genauso. Die Ferien fehlen mir und ich würde unheimlich gerne mal wieder einen Monat am Stück frei haben. Es wäre wohl nicht das gleiche wie früher. Allein schon weil man sich nicht wie als Kind darauf verlassen kann, dass die nächsten Ferien praktisch schon vor der Tür stehen.
      An einzelnen Tage schaffe ich es, die Seele baumeln zu lassen.
      Ich drück dir fest die Daumen, dass du die Honig Zeit wieder findest und glaube dass du das wirst. Es gibt so Phasen, oft viel zu lange, wo der Kopf einfach nicht mitspielt. 😘

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      1. es beruhigt mich ein bisschen, wenn es anderen auch so geht. manchmal hab ich das gefühl, ich bin die einzige, die diesen dingen mit einer schwermut nachhängt. aber ja, ich hoffe auch, dass es mir wieder gelingt, denn das süße nichtstun ist balsam für die seele!

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