Mamertus lacht

Für unsere Fahrt nach Italien müsse ich mir bezüglich unserer Sicherheit keine Sorgen machen, teilte man mir Anfang der Woche mit. Die Winterreifen seien noch nicht abgenommen und mit ihnen würden wir problemlos jedem Schneesturm trotzen. Da wir unsere Reise bereits am 19. Mai antreten war ich sehr erleichtert das zu hören. Als Münchnerin weiß ich, dass ein Reifenwechsel vor Ende Juni ein überaus leichtsinniges und geradezu fahrlässiges Unterfangen ist. Dem Wetter zwischen Donau und Trient ist es nämlich völlig egal, wann der ADAC einen Reifenwechsel empfiehlt. Mehr noch – ich bin sogar fest davon überzeugt, dass die Eisheiligen irgendwo in den Alpen hocken und sich einen Spaß daraus machen auf die ersten Idioten mit Sommerreifen  zu warten. Allen voran die kalte Sophie, die jedes Jahr scheinheilig grinst, wenn sie hört wie Bauernregeln zitiert werden. Nur noch wenigen ist bewusst, dass ihr Gedenktag ohne dem Wechsel zum gregorianischen Kalender dieses Jahr zum Beispiel erst am 23. und nicht schon am 15. Mai liegen würde. Obwohl es ihr vermutlich auch herzlich egal ist. Sie kümmert sich nicht um den Kalender sondern wartet wie die anderen Eismänner auf den Reifenwechsel der Bayern und schlägt dann noch einmal genüsslich zu.

Wenn Ihnen das nicht einleuchtend erscheint, dann hingen Sie noch nie am Zirler Berg in dichtem Schneegestöber fest. An solchen Tagen entstehen besonders schöne Fotos. Eine kleine Blondie zum Beispiel, die in kurzen Hosen versonnen ins Inntal, auf die Martinswand oder auf die Tuxer Alpen blickt. Die Aufzählung stammt von Wikipedia, denn wenn ich mich richtig erinnere, sah ich aufgrund des starken Schneetreibens nicht sehr viel und fragte mich, ob sich irgendwo im Kofferraum ein dicker Pullover oder noch besser eine Skijacke vom vergangenen Winter befanden. Schön auch, das solche Bilder keine Tonspur haben. Sonst hätte man im Hintergrund das laute Fluchen meines Freundes gehört, der sich Sorgen machte, ob die Surfbretter auf dem Autodach bei der Weiterfahrt auch halten würde. Die Schneeschicht machte den eigenwillig zusammengezurrten Aufbau doch ein wenig rutschig. Im Winter fluchte er grundsätzlich lauter und derber als im Sommer. Die knapp 400 Höhenmeter des Zirler Bergers und die 16%ige Steigung der Straße hatten uns schön öfter zur Verzweiflung gebracht. Aber nur im Winter froren wir zudem auch noch erbärmlich und die Notwege auf denen wir zum Stehen kamen wirkten im Schnee noch ungemütlicher.

Wir standen auch schon am Brenner im Schnee und wärmten uns mit einer Flasche Wein auf. In einem Film, sah ich eine ganz ähnliche Szene und während wir sie nachspielten – in Decken gehüllt, auf den Rücksitzen mit kräftigem Rotwein – war es überaus romantisch und gemütlich. Ungemütlich wurde es, als sich das Wetter  besserte und uns bewusst wurde, dass dank des Rotweines nun keiner mehr in der Lage war weiter zu fahren. Wenn Sie von mir einen Tipp für eine Autofahrt nach Italien wollen, dann erwarten Sie nicht, dass ich Ihnen schöne Gasthöfe oder Sehenswürdigkeiten auf der Strecke empfehle. Ich empfehle eine Thermoskanne voll Tee, Skiunterwäsche, Decken und vor allem Winterreifen. Im August können Sie die Skiunterwäsche weglassen. Den Rest vorsichtshalber bitte nicht.

Selbst wenn ich nicht über die Alpen fahre, geht mir der Frühling mit seinen Temperaturstürzen gewaltig auf die Nerven. Jedes Jahr im März oder April sitze ich bereits im T-Shirt an der Isar oder trinke meinen morgendlichen Milchkaffee in der warmen Sonne auf dem Balkon. Niemand kann erwarten, dass ich das in unschöner, betongrauer Umgebung mache. Selbstverständlich bepflanze ich den Balkon bei den ersten Sonnenstrahlen des Jahres. Und selbstverständlich schleppe ich die Terrakotta Blumenkästen eine Woche später im leichten Schneetreiben in mein Wohnzimmer und stelle sie auf das mit Mülltüten abgedeckte Parkett. Dort keimen meine Pflanzen dann für etwa vier bis acht  Wochen und bereiten mir große Freude. Sie müssen ja ans Licht und ich kann dank der klobigen Tröge weder die Balkontüre noch die Kommode öffnen. Schön auch, dass ich jedes Jahr mindestens einmal zu viel gieße und mein Parkett wässere. Und nein, ich verzichte im nächsten Jahr nicht auf die frühe Aussaat. Die eine Woche im Ende März, in der es mollig warm und sonnig ist, und in der ich auf dem frisch bepflanzten Balkon sitze ist es mir wert.

Diesen Beitrag tippe ich übrigens gerade auf meinem Balkon. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und ich habe meine vier großen Blumenkästen wieder nach draußen geschleppt. Das Parkett braucht Luft. Die kleinen grünen Keimlinge recken sich freudig den warmen Strahlen entgegen und auf meinen linken Unterarm entdecke ich die erste Sommersprosse des Jahres.

Morgen schneit es. Mamertus, der erste der Eisheiligen hat mich entdeckt und ich höre ihn schon lachen.

28 Gedanken zu “Mamertus lacht

  1. Liebe Mitzi!

    Wenn Sie das nächste Mal hoch oben auf einem Gebirgspass Richtung Italien unerwartet im Schnee feststecken und keine Flasche Rotwein als Ablenkung bei sich haben, wagen Sie doch einfach den Schritt und schnallen Sie sich das Surfbrett unter die Füße. Ist ja fast wie Snowboarden. Und mit etwas Übung sind Sie dann schneller im Tal als mit dem Auto. Nur rauf wird’s ein bißchen schwierig 🙂

    Herzliche Grüße und einen wunderschönen sonnigen Samstag wünscht
    Mallybeau

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    1. Liebe Mallybeau, ein gewagter Vorschlag. Sollte ich jemals in die Gelegenheit kommen, dann werde ich darauf achten, dass eine Kamera in der Nähe ist. Es wäre die Gelegenheit selbst eine Weltsensation „einzureichen“. Diese wäre dann das ankommen im Tal mit….sagen wir großzügig…nur drei gebrochenen Knochen. ;).
      Herzliche Grüße
      Ihre Mitzi

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      1. Ausgezeichnet. Eine typische Mitzi-Variante wäre vielleicht auch: auf dem Surfbrett sitzend mit Schreibmaschine auf dem Schoß hinab ins Tal. Unten angekommen ist das neue literarische Schmankerl fertig und druckreif. 🙂 Sozusagen in Windeseile geschrieben. Ich freue mich….

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  2. Liebe Mitzi,
    ich sitze gerade hier in meinem stillen Kämmerlein und überlege, warum man überhaupt Winter- und Sommerreifen wechseln sollte?
    Ganzjährig Sommerreifen geht nicht, das ist klar! Auch ohne Sophie und Mamertus ist mir das klar.
    Wenn ich aber, weil ab und zu mal Schnee kommen „könnte“, bis Ende Juni mit Winterreifen fahre, dann könnte ich doch den Juli und August, notfalls noch September auch mit Winterreifen fahren.
    Das bisschen Gummi, was so ein Winterreifen eventuell mehr auf der Straße bei Nichtglatteis lässt, macht doch sicher nichts aus. Man braucht dafür ein paar Kilometer eher neue Reifen, spart aber einen doppelten Satz Felgen und die Arbeit, die Räder zu wechseln.
    Mein Vorschlag:
    Immer mit Wintereifen fahren und als Ausgleich dafür nur Sommerzeit benutzen. Zeitumstellung ist fast ebenso lästig wie ein Reifenwechsel …. finde ich. 😉
    Gruß Heinrich

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    1. Lieber Heinrich,
      wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mich das auch schon oft gefragt. Warum die ganze Wechselei? Bei den Reifen weiß ich die Antwort nicht und da ich meistens kein Auto habe, werde ich es auch nicht googeln. Bei der Zeitumstellung kenne ich die Argumente, aber keines hat sich wohl je bewahrheitet. Ich bin also ganz bei Ihnen.
      Dauerhaft die Sommerzeit! Im Oktober wird nicht umgestellt. Das haben Sie und ich nun beschlossen! Punkt.
      Herzliche Grüße

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  3. Ich kenne einige die auch frierend irgendwo auf ihrer Reise in den Süden steckengeblieben sind. Ich als häufiger Elsaßbesucher, der durch den Schwarzwald muss, war immer klug genug nie vor Juni die Sommerreifen aus der Garage zu holen 🙂 Und das Spiel des Rein- und Rausschleppens von Balkonkästen und Töpfen ist mir auch sehr vertraut. Ich verstehe deine Freude über jeden Sonnentag also ausgezeichnet und ich möchte auch nicht darauf verzichten.

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    1. Beruhigend, dass auch andere schleppen und es nicht abwarten können, endlich die Sonnentage zu genießen.
      Schön auch, dass ich mir um dich bis Juni keine Sorgen machen muss ;).
      Liebe Grüße

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  4. wieder eine deutliche parallele zum bayrischen nachbarland entdeckt 😉 (auch ich stand dieses jahr mit sommerreifen im schnee, allerdings schon im april und zugegebenermaßen immerhin auf der ebene).

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    1. Der Münchener fühlt sich in Österreich ja heimisch ;). Müsste ich kein Pickerl kaufen, dann würde es sich fast anfühlen als würde man von München direkt über die Grenze nach Italien fahren. Die Strecke durch Österreich fühlt sich immer sehr heimisch an. In Wien allerdings z.B. ist es dann doch ein wenig fremder. Aber immer noch vertrauter als in Norddeutschland :). Liegt wohl daran, dass wir mit Am Dam Des und ORF 1 aufgewachsen sind :).

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      1. eines darf ich dir sagen: auch der restösterreicher fühlt sich in wien fremd. „wien ist anders“ – damit wirbt die stadt ja sogar. selbst ich als nahezu-wienerin fühle mich hier immer ein bisschen fremd 😉

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  5. Genau heute wurden die 4 Jahre lang durchgängig gefahrenen Winterreifen gegen Ganzjahresreifen getauscht. Nicht deswegen, weil in Berlin und Umgebung keine Alpen sind und immer wenig Schnee, sondern weil sie aus Altersgründen Risse bekommen haben.
    Mich hat diese Wechselei und die Stapelei in Keller oder Werkstatt schon immer angestunken – also kamen heute die schönen neuen Reifen auf die schönen alten Alufelgen, die ich jetzt 4 Jahre geschont habe. – Und falls mir jetzt Mamertus, Pankratius koder die kalte Sophie dennoch ein Schnippchen schlagen wollen – ha!!!! Ich bin gewappnet!
    Gut, dass es im Netz so gute Erfahrungen zu lesen gibt 🙂 😉
    Dass die Werkstatt aber heute noch so viel Geld von mir will, lässt das Lächeln etwas einfrieren.

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    1. Um ehrlich zu sein, könnte ich die Vor- und Nachteile von Ganzjahresreifen nicht aufzählen. Ich habe seit Jahren kein eigenes Auto. Allerdings würden mich die Stapel im Keller und der halbjährliche Wechsel auch gehörig aufregen. Es bleibt mir, dir zu wünschen, dass du nun erst mal Ruhe davon hast und die Kosten der Werkstatt sich dann doch bezahlt machen. Sollten die Reifen im Winter nichts taugen und du in den Alpen stranden, dann weiß ich bei wem es sich bei einem liegengebliebenen Auto mit Berliner Kennzeichen handeln könnte ;).
      Ich werde anhalten und den Tee mit dir teilen 😉

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      1. Das mit dem Tee ist ja richtig reizend von dir. Aber ich glaube, ich fahre weder im Sommer noch im Winter durch die Alpen, ich bin doch eher Bahn Fahrerin.
        Wenn es dann aber doch zum Tee kommen sollte, dann bitte kein Pfefferminztee
        Liebe Grüße von mir

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  6. Ich rate zum Mini-Glashaus für’s Wohnzimmer. Ganzjährig, versteht sich. Das ständige Hin und Her zwischen Balkon und Wohnung würde entfallen. Und ein Hingucker wär’s auch … 🙂

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  7. Liebe Mitzi! Ich muste nicht nur einmal schmunzeln, so bekannt kamen mir die Szenarien vor…Brenner, August: In kurzen Hosen beim Schneetreiben mit rutschendem, sommerbereiften Gefährt, dass nicht nur einmal an den Bordstein rutscht – ein auch mir leider nicht gänzlich unbekanntes Bild… Da fängt der Toskana-Urlaub gleich doppelt gut an, wenn einem bei 40 Grad im Schatten ständig die Nase davonläuft, putzt man sie nicht im MInutentakt… Alles Liebe, Nessy

    http://www.salutarystyle.com

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    1. Die Erkältung als Mitbringsel des plötzlichen Wintereinfalls ist mir auch gut bekannt. Zum Glück entschädigt die Schönheit der Toskana am Ende meistens doch.
      Liebe Grüße

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