Feiern wie 1999 – keine Lust

Lasst uns meinen Geburtstag feiern, wie damals 1999, schreibt er und ich habe keine Lust mehr. 1999 war ein anderes Jahrtausend. Mit Partys, die mir nicht im Gedächtnis geblieben sind, weil 1999 jeden Tage eine Party war. Er schreibt uns, wen er eingeladen hat und ich habe noch weniger Lust. Trotz der charmanten und humorvollen Kurzbeschreibungen, zieht es mich – die er im Text zur Erotik Bloggerin gemacht hat – nicht wirklich hin. 1999? Das war vor 17 Jahren. Es war gut. Heute ist auch gut. Aber lass uns feiern wie 1999 klingt bescheuert. Oder nicht, frage ich dich und du zuckst mit den Schultern. Die ganze Zeit schon musterst du mich und deine Mundwinkel umspielt das Lächeln, das ich manchmal nicht mag weil es mich neckt und verspottet, wenn ich trotzig auf meine Unlust und meine schlechte Laune bestehe.

Eine ausgesprochen dumme Lokation ist es, teile ich dir wortlos mit als ich kurz nach neun durch das ausgestorbene Museumsviertel stapfe. Nasses Laub und hohe Schuhe bilden eine Kombination die ich nicht mag. Der Spott in deinen Mundwinkeln blitzt auf. Ruhig teilst du mir mit, dass nicht die Bar ungünstig liegt, sondern ich statt der Tram einfach die U-Bahn hätte benutzen sollen. Ich will es nicht hören und gehe an dir vorbei. Einmal anstoßen, kurz hallo sagen und dann nach Hause. Heute reicht mir das. Heute habe ich keine Lust. Ob es das jemals funktioniert hätte, fragst du mich und ich sehe dich noch einmal kurz an der Tür stehen.
Es hat noch nie funktioniert. Noch nie habe ich Feiern meiner Freunde früh verlassen. Nie reichte ein Glas, immer war das Anstoßen der Auftakt und nach Hause keine Option. Es liegt nicht an mir. Es liegt an meinen Freunden und dem Sog der einen langsam in die Nacht zieht, wenn man erst einmal die Jacke ausgezogen hat. Die meisten hier kenne ich nur flüchtig. Flüchtig seit Jahren. Es sind Freunde eines Freundes, die ich nur selten sehe. Sieht man jemand selten aber über Jahre, fühlt es sich dennoch nicht fremd an. Man kennt sich so wenig, dass man noch überrascht werden kann. Zum Beispiel von dem einem mit dem ich noch nie mehr als eine Handvoll Worte gesprochen habe, der heute aber zufällig neben mir sitzt und richtig lustig ist. Ich höre mir Geschichten an, die ich kenne aber noch nicht von ihm erzählt bekommen habe. Wie ein Bild, dessen Motiv man kennt, das aber anders wirkt, wenn es verschiedene Menschen zeichnen. Ich trinke mehr als das eine Glas, das ich wollte, weil sich in meinem Drink das Kerzenlicht so schön spiegelt. Ein guter Grund, weil ich Getränke immer am liebsten habe, wenn sich Licht in ihnen spiegelt. Ich umarme die, die ich kenne und freue mich sie zu sehen. Den einen mehr als einmal, weil er ein fester Bestandteil meines Lebens ist und man sich an solchen Abenden leichter sagen kann, dass man sich lieb hat. Und wenn man es nicht sagen will, dann denkt man eben nur daran. Warm wird einem so oder so. Wegen des Drinks und wegen der Umarmung und dem Gedanken an die Bestandteile des Lebens die heute Geburtstag haben.

Ein Foto als Erinnerung. Etwas das am Kühlschrank hängen wird. Es ist leichter geworden als 1999. Da schleppte kaum einer einen Fotoapparat mit sich herum. Der Rest ist gleich geblieben. Toilettentüren in Bars sind sich noch immer zu fein, als das sie mit einem klaren H oder D klar erkennbar wären und fast immer verfluche ich die steilen Treppen nach unten oder nach oben.  Man muss nicht alleine fluchen. Auf Damentoiletten ist man nie allein. Ein Klischee, aber es stimmt. Ich mag Toilettengespräche und ich mag das seltsame Licht, dass einen entweder wie eine Leiche oder wie einen saftigen Pfirsich aussehen lässt. Gestern war es eine Pfirsichtoilette und meine Unlust längst verflogen. Als ich dich mit Pfirsichwangen im Spiegel anlächele und du schmunzelnd wissen möchtest ob ich müde bin, schüttele ich den Kopf. Es ist erst drei Uhr, so lange sind wir noch nicht hier. Ich hatte nur keine Lust, weil feiern wie 1999 nach einem Zwang klingt, etwas aufleben zu lassen, was nicht mehr ist und gar nicht mehr sein kann. Auch nicht sein muss. Rückblenden gaukeln meist nur vor, dass damals die Feiern wilder und spontaner waren. Das waren sie nicht, sie kommen uns nur so vor. Wenn ich ehrlich zurück denke, dann waren die meisten ziemlich mies. Der Sog einer guten Nacht ist noch immer der gleiche. Anders, aber ich bin ja auch anders und im Kern doch gleich.

Gleich ist auch, dass ich immer mit weniger nach Hause komme, als ich losgegangen bin. Falls Sie in der Gabelsbergerstraße vorbei kommen, schauen Sie doch bitte nach einem dunkelblauen Kashmirschal. Gerne auch an Orten an denen man einen Schal eher nicht vermutet. An dem kleinen Mauervorsprung vor dem Bauzaun zum Beispiel. Ich weiß nicht warum ich da saß. Es war wirklich kalt gestern. Aber das Licht der Straßenlaterne hat sich so schön in meinem Glas gespiegelt und der eine, der…ach, lassen wir das. Aber den Schal hätte ich doch gerne wieder.

 

16 Gedanken zu “Feiern wie 1999 – keine Lust

  1. Herrje, das stimmt. Ich habe auch immer neugierig geschaut welches Licht sich in meinem Glas bricht und innerlich gelächelt wenn ich eine Pfirsichtoilette erwischt habe. Und wie oft ich meinen Schweinehund schon überwinden musste, um dann konsequent das Ende der Nacht einfach zu übersehen.

    Danke San 🙂

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    1. Toll, dass du weißt, was ich mit dem Pfirsichlicht meine.
      Das Ende der Nacht – ein schmaler Grad. Manchmal übersieht man es und wäre besser längst im Bett und manchmal war es genau das richtige, noch geblieben zu sein.
      Auf die Nächte 😉

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  2. Liebe Mitzi!
    Es ist gut, dass ich in Ihnen eine so prächtige Geschichtenerzählerin gefunden habe. Würden Sie hier nicht so wunderbar die Stimmungslagen auf Partys und Feiern wiedergeben, wüsste ich kaum, wie es dort zugeht. Da ich eine extrem partyunfreudige Kuh bin, habe ich mich im Grunde nie zu solchen Einladungen hinreissen lassen.
    Und bleich wie eine Leiche sehe ich am Tage wie in der Nacht aus, egal bei welcher Beleuchtung 🙂 Ich warte nur noch auf meine erste Tatortrolle im trüben Neckarwasser… bevor ich hier jetzt aber völlig vom Thema abdrifte wünsche ich Ihnen eine wunderschöne Adventsfeier, ob alleine oder in Gesellschaft.
    Herzliche Grüße von der Alm
    Mallybeau

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    1. Liebe Mallybeau, es wird sich doch wohl eine besser Rolle für Sie finden lassen. Trübes Neckarwasse…das wird nicht akzeptiert. Lieber grasen Sie an der Isar und lösen Wiederkäuend den Fall.
      Gerne nehme ich Sie auch weiterhin mit. Auf die Feiern und die Partys und erhole mich im Gegenzug auf Ihrer Alm.
      Herzliche Grüße
      Ihre Mitzi

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      1. Kuhmissar Kuh am Isarstrand, das gefällt mir. Ich werde mich sogleich an die Ermittlungen machen. Und anschließend werde ich Ihnen mit Ihrer ausgezeichneten Beobachtungsgabe das Protokollschreiben überlassen 🙂 Kuh und Mitzi ermitteln!

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  3. warst du in salzburg???
    ich liebe deine worte, die geschichten erzählen, als wäre man selbst dabei gewesen. du kannst es so gut und vielleicht beschreibst du auch oft gefühle, die mir selbst so vertraut sind. ich weiß beinah‘ bei jedem satz, was du meinst, obwohl ich keine konkrete erinnerung dazu abrufen kann. bei sovielem musste ich nicken, lächeln und es macht mich ein bisschen wehmütig, diese zeilen. ja, wir sind andere – und doch im kern gleich.

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    1. Das schöne an Alltags-Erzählungen ist, dass man sich darin wieder finden kann. Wenn mir das bei den Lesern auch gelingt, dann ist das ein sehr feines Kompliment. Danke für die lieben Worte. Es bedeutet mir viel, wenn jemand in meinen Text hinein springt, sich darauf einlässt und sich ein Stück weit selbst darin wieder findet.

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