Iljana, komm raus, forderte der alte Säufer mit kratziger, aufgeregter Stimme. Iljana, die mazedonische Aushilfe unseres vietnamesischen Backshops lächelte nur und schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich hat sie den Alten nicht verstanden. Morgens ist er noch nüchtern, da versteht man ihn noch schlechter. Iljana sowieso. Die versteht nämlich kein Deutsch, braucht es bei der Selbstbedienung im Backshop auch nicht. Iljana, komm, fordert er mit Nachdruck durch die offene Tür und lässt sich dann auf das kleine Mäuerchen an der Tiefgarage sinken. Der Start in den Tag fällt ihm im Winter noch etwas schwerer als sonst. Zwischen den rauen Fingern eine Zigarette und der erste Schluck aus einer kleinen Flasche Jägermeister. Was man eben so braucht, um wach zu werden.
Ich brauchte nur eine Semmel. Für später. Für das Büro. Die verstaue ich in der Tasche, als ich vor die Tür trete. Der altre Trinker legt seine Hand auf meinen Arm. Da schau, sagt er und nennt mich Iljana. Da schau, Iljana, die Sonne geht auf. Und weil er so sehnsüchtig und gleichzeitig überrascht schaut, schaue ich auch. Nicht in die Sonne, sondern in seine Augen. Die sind nämlich schön. So schön wie die von einem Bernhardiner. Die Lider hängen, das Weiß ist nicht mehr ganz klar und sie schwimmen in Tränenflüssigkeit. Aber irgendwie sind sie schön. Schau, Iljana, die Sonne, wiederholt er und ich nicke. Es ist ja egal wer die Sonne außer ihm noch sieht. Heute Morgen reicht es ihm wohl, wenn er die ersten Strahlen mit irgendwem teilen kann.
Später, ich bin schon aus der Stadt draußen, schaue ich alleine noch mal in den Himmel. Heute ist er wirklich besonders schön. Ich bleibe so abrupt stehen, dass ein Kollege mich fast umrennt. Schau, sage ich, die Sonne ist aufgegangen. Man kann das offensichtliche ab und zu ruhig erwähnen. Das der Himmel nicht alltäglich ist, sieht er wohl selbst.
Ja, dieser Himmel schaut wirklich ganz und gar außergewöhnlich aus.
Ich muss mich hier outen, ich bin ja auch so ein Wolken- und Himmelsgucker. 😊
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Damit kannst du dich leicht outen :).
Der Himmel ist eines der Dinge, die man tausende Male ansehen kann und sich dennoch nicht langweilt.
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Wie schön du wieder den Blick auf dein Umfeld lenkst. liebe Iljana äh Mitzi. Und der weißblaue Himmel gehört ja zu Bayern wie die Weißwurst. Ich glaube, in eine Frau, die zu mir sagen würde: „Schau, die Sonne ist aufgegangen!“, könnte ich mich auf der Stelle verlieben.
Schöne Grüße aus dem eher grauen Hannover.
Nebenbei: Hast du eine Erklärung dafür, dass neue Beiträge von dir nicht in meinem Reader auftauchen?
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Mir gefiel der Satz auch so gut, lieber Jules, dass ich in diesem Moment sogar den alten Säufer lieb hatte. Meinen Kollegen irritierte ich – man sagt so was ja immer zu den falschen Menschen ;).
Leider weiß ich das nicht, aber es erklärt, warum ich kaum Aufrufe bei diesem Beitrag hatte. Ich war ein wenig erstaunt und überlegte schon, wovon er sich von anderen unterscheidet.
Hast du den heutigen im Reader?
Liebe Grüße
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Bei mir ist der Beitrag im Reader, vielleicht das Glück der Später gekommenen.😉
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Ich hab es korrigiert. Irgendwie bin ich beim veröffentlich wohl auf das Datum gekommen und habe ihn beim ersten Mal drei Tage nach hinten gesetzt.
Technik…..
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ich möchte mich einmal kurz einmischen, auch ich hatte das Problem. Einfach entfolgen und wieder neu folgen, bei mir hat es so das Problem gelöst!
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Hallo Ann, in dem Fall hatte ich das Veröffentlichungsdatum zurück gesetzt. 😌
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darin bin ich Profi 😉
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Ja, der ist da. Wie ich sehe, ist dieser vom 9. Da tauchte er nicht auf. Dieser Text hat die gewohnte MItzi-Qualität, wobei „gewohnt“ das falsche Wort ist, denn was du schreibst ist Text für Text ungewöhnlich … gut.
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Danke, Jules.
Es lag an mir. Ich habe ihn am 11 und nicht am 9. veröffentlicht und wahrscheinlich aus versehen das Datum nach hinten gesetzt. Wie – nun man kann sich auch blöd anstellen.
Vielleicht stelle ich ihn einfach noch mal rein. Wer ihn schon kennt, wird es einfach ignorieren.
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Wunderbar! Nun bin ich ja eine bekennende Himmelsguckerin und muss doch sagen, es ist immer wieder neu zum Staunen und schön. Nie ist ein Himmelsbild dem andreren gleich. Wenn ich das nicht mehr sehen, sagen und empfinden kann, dann lebe ich wohl nicht mehr.
Aber gerade heute bin ich schnell nach Hause, weil die Sonne unterging und ich dabei sein wollte… 😉
Liebe Grüße,
Silbia
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Schön! Dein Text, den mag ich sehr, und den Himmel, den sowieso. Wie schön dass sich beides so perfekt vereinen lässt! 🙂
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Danke, Netti. 🙂
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wirklich traumhaft schön!
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JETZT ist Dein Text da – vor 56 Minuten, behauptet WordPress. Die spinnen. Aber schön isser…
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Diesmal ist WP unschuldig. Ich hab den Wurm selbst reingebracht. Nun ist er doppelt, passt aber auch zum heutigen Montag.
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Danke für den kleinen Ausflug in Deine alltagliche, aber so eindrücklich sensibel geschilderte Welt ! Ich genieße Deine Schreibe einfach!
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Danke dir, Nessy.
Die Vorlagen durch die Menschen um mich herum machen es mir leicht immer wieder Themen zu finden.
Liebe Grüße
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So ähnlich geht´s mir auch! Noch nie hatte ich ein Problem, ein Beitragsthema zu finden…
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Sehr schön und mit viel Gefühl beschrieben. Kann man direkt mitfühlen und veranlasst vielleicht demnächst die Umwelt mit etwas offeneren Augen zu betrachten.
VG DIeter
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Das wäre schön. Man schaut ja viel zu oft nicht nach oben oder unten und ist im Alltragstrott im Rennen gefangen.
Liebe Grüße
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Ja, auch Hermann der Säufer genießt seine Welt … Schön geschrieben!
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Wenigstens das hat er sich behalten.
Danke.
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Heute sind über München Schneewolken – oder Winterwolken. Eigentlich nenne ich sie Schneewolken, weil sie meistens Schnee mit sich bringen. Wenn nicht heute, dann morgen. Wenn die Sonne scheint, ist auch die Kälte nicht schlimm. Und im Winter scheint die Nachmittagssonne quer über meinen Schreibtisch und die Blätterschatten tanzen zwischen den Lichtstrahlen. Das versöhnt mich sofort mit Allem. Danke für den Text, liebe Iljana/Mitzi 🙂
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Schneewolken, ja die kenne ich auch. Und mit Sonne ist klirrende Kälte auch schön. Vor allem wenn man sie von drinnen aus beobachten kann.
Dein Schreibtisch steht wohl genau richtig.
Liebe Grüße
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In „meinem“ Meditationszentrum führen die Kinder alle Jahre wieder das Stück „Iljana geht die Sonne suchen“ auf ….
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Echt? Das passt ja hervorragend. Besonders, wenn „meine“ Iljana dem Ruf zu spät gefolgt ist und sie dann suchen muss.
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Ja, genau 🙂
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Der Himmel war für mich schon immer da, aber durch Deinen Text ist er irgendwie schöner und wichtiger geworden. Liebe Grüße, Ann
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Das ist schön. Manchmal braucht man einen kleinen Stups und wieder rauf zu sehen.
Ich bekam ihm an dem morgen auch erst durch das hartnäckige Rufen.
Liebe Grüße
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… der Himmel ist oft wie auf den Alten Holländischen Meistern oder gar Turner nur die Landschaft darunter stimmt meist nicht mehr…
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Die hat sich sehr verändert…
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