Misstrauen Sie Wikipedia (und mir…denn dieser Text hat eigentlich nichts mit Wikipedia zu tun)

Halleluja, endlich Juni! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin! Der Mai steckt mir noch in den Knochen und ich bin noch etwas wacklig auf den Beinen. Aber es geht aufwärts. 01.06.2016 – sagt der Kalender und  erfahrungsgemäß habe ich jetzt für 11 Monate meine Ruhe. Sie sehen schon, ich habe es nicht so mit dem Mai. Frühling hin oder her, blaues Band, Fliederbusch-Duftattacken – alles schön und gut, aber als Gesamtpacket mag ich den Mai nicht. Mehr noch, er ist mir zutiefst zuwider. Statistisch gesehen passieren gut drei Viertel aller Dramen in meinem Leben im Mai. Nicht dass ich in den anderen Monaten gänzlich unbeschadet davon komme, aber der Mai hatte es schon immer in sich. Deshalb wundert es mich auch, dass Lonesome George, die letzte Galapagos Riesenschildkröte, nicht im Mai sondern im Juni gestorben ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es dem armen Kerl schon im Mai nicht recht gut ging. Seltsam, dass auch Harriet – ein Galapagos Weibchen – im Monat Juni starb. Irgendwer muss sich da vertan haben. Im Juni passieren nämlich eigentlich keine Dinge die mich nachhaltig traurig stimmen.

Der Juni war schon immer großartig. Als Kind konzentrierte sich meine Zeitrechnung um meine beiden Lieblingsmonate Juni und Dezember. Den Monaten, in denen es Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke gab und die gespickt waren von schönen Dingen. Zum Beispiel das Anzünden der ersten Kerze am Adventskranz oder dem ersten Erbeerkuchen des Jahres. Dem Geruch von Rapsfeldern oder dem von Anisplätzchen. Besonders praktisch war es, dass die Höhepunkte des Jahres bis auf einen Tag genau ein halbes Jahr auseinander lagen und eigentlich immer Weihnachten oder der Geburtstag noch nicht lange her oder nicht mehr allzu lange hin waren. Ich habe mir die Welt schon als Kind schön geredet und kann es noch heute gut. Keine Sorge, ich komme Ihnen heute nicht mit Weihnachtsstimmung. Es ist ja wirklich noch eine ganze Weile hin. Verständlicherweise ist Ihnen mein Geburtstag egal, aber weil sie ein empathischer Mensch sind, freuen Sie sich einfach mit mir über den Juni. (Oder brechen jetzt enttäuscht das Lesen ab). Vermutlich ist mir der Juni deshalb so lieb, weil ich an vielen Tagen schöne Erinnerungsleuchttürme habe. Am 17. (und 18. und 21. und 25. und 26. und 28.) Juni denke an die vielen Geburtstagfeiern meiner Freunde. Jene, die schon lange her sind und jene die jedes Jahr aufs Neue stattfinden. Am 22. Juni ist ein ganz wunderbares Mädchen auf die Welt gekommen, das mit mir verwand ist. Am 15. Juni vor langer Zeit kapierte ich nach Jahren geistiger Umnachtung, dass eine meiner Beziehungen Mist war und strampelte mich frei. Nicht ganz selbstständig. Ich verharrte noch einige Monate in einer Art Schockstarre, aber der Grundstein war an diesem Tag gelegt. Man weiß, dass ein Mann nicht fürs Leben taugt wenn er auf die Frage nach seinem dringlichsten Wunsch mit „ein nie zuneige gehender Kasten Bier“ antwortet. An einem 2. Juni bekam ich meinen ersten Kuss und an einem 3. Juni sagte ich das erste Mal einem Menschen dass ich ihn liebe (und wiederhole es bis heute).  Am 6. Juni bekam ich eine Jobzusage und am gleichen Tag in einem anderen Jahr wusste ich welches Tattoo ich mir stechen lassen würde. Ich habe es noch nicht, weil ich Tätowierungen nicht mag. Aber es ist doch gut, zu wissen, was das geringste Übel wäre. Nur für den Fall der Fälle. Sollte man eine Wette verlieren oder sturzbetrunken, spät abends in einem süditalienischen Studio landen und dort aus Verlegenheit  auf einen lila Schmetterling deuten. Meinem damaligen Freund habe ich es zu verdanken, dass der lila Schmetterling mir, ihm und seinen Nachfolgern erspart blieb. Ich kann Ihnen aber sagen, dass es reichlich knapp war. Heute hätte ich wenigstens etwas sinnvolles in der Hinterhand. Am 23. Juni versammle ich jedes Jahr meine Lieblingsmenschen um mich und teste, wie viele von ihnen in meine Wohnung passen. Mit weniger als 20 fange ich gar nicht erst an und lerne an diesen Tagen traditionell auch die neuen Lebensgefährten kennen oder erfahre einschneidendes. Nicht nur ich, sondern alle die da sind. Meine Freunde nutzen dieses Juni-Treffen in meiner Wohnung um große Ankündigen zu machen. Da haben sie einen Großteil ihres eigenen Freundeskreises versammelt und sparen sich individuelle Wasserstandsmeldungen. Da werden Hochzeiten und Scheidungen verkündet. Babys mitgebracht und Umzüge kundgetan. Oder man nutzt die Gunst der Stunde und erklärt, dass man sich eigentlich schon immer einen mitfühlenderen Freundeskreis gewünscht hätte. Letzteres bekommen die Angesprochenen aufgrund des Geräuschpegels meistens aber nicht mit und feiern fröhlich weiter. Nicht zuletzt ist am 21. Juni Sonnenwende und die habe ich nach dem Mai auch dringend nötig.

Der Juni ist fein. Lauter schöne Erinnerungsleuchttürme. Der Mai dagegen ist übersäht mit morastigen Schlammpfützen und die Erinnerungen daran. Da kann ich mit den Jahren noch so geübt im Springen sein, ich lande immer wieder darin. Im Mai scheppert und kracht es. Die ersten Gewitter des Jahres sind symbolisch für Dinge die mir entgleiten oder zerbrechen. Schon immer träumte ich im Mai den größten Mist und traf die dümmsten Entscheidungen. Und nicht zuletzt ist Lonesome George nicht der einzige der im Mai für immer verschwunden ist. Ja, ich weiß. Laut Wikipedia im Juni….aber wie gesagt, ich vermute hier einen Fehler in den Aufzeichnungen.

 

 

42 Gedanken zu “Misstrauen Sie Wikipedia (und mir…denn dieser Text hat eigentlich nichts mit Wikipedia zu tun)

  1. Liebe Mitzi, dann bist Du ja ein Junikäfer wie ich 🙂 Bei mi war es so, dass die Zeit kurz vor dem Geburtstag (ich bin vor Dir dran :)) immer die schönste Zeit des Jahres für mich war. Und die Weihnachtszeit – weil ich die so liebe und entsprechend zelebriere. Weniger mit Deko-Gedöns als mehr mit Zimtkakao, Stricksocken von der Mama und Puzzeln, Trickfilme schauen und lesen.

    Die letzte Weihnachtszeit jedoch… an die denke ich überhaupt nicht gern zurück – und die Tage nun kurz vor meinem Geburtstag sind leider auch nicht mehr das, was sie mal waren.

    Das Gute ist: Alles beginnt jedes Jahr neu und in 6 bzw. 11 Monaten gibts wieder die nächste Chance 😉

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    1. Liebe Helma,
      da siehst du mal….noch ein Junikäfer den (bzw dessen Blog) ich mag. 🙂 Heute sind es genau die von dir beschriebenen Punkte, die ich an Weihnachten mag. Die Geschenke sind es längst nicht mehr. Gerade an Weihnachten treffen einem unschöne Dinge besonders hart. Aber wie du sagst, wir bekommen jährlich neue Chancen. Ich drücke dir die Daumen, dass der Zimtkakao in 6 Monaten wieder seinen Zauber inne hat.
      Liebe Grüße

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  2. Ich mag den Mai ja auch nicht. Nicht nur, dass ich im Mai immer zu verfetten drohe, sondern auch immer schlagartig und überraschend ein Jahr älter werde. Aber während mir Abscheu den Monaten gegenüber vertraut ist (ich habe 12 Antworten, welchen Monat ich besonders hasse), staune ich, dass man einem Monat seine Liebe erklären kann. Bis gerade hielt ich es für unmöglich. Das war lehrreicher als Wikipedia.

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    1. Verfetten? Nicht im Dezember?
      Ach lieber Zeilenende – ich glaub du hasst gar nicht so viel. Ich jedenfalls freue mich über dein Gegrummel und bin mir sicher, dass der Juni etwas schönes bereit hält. Sonst spam ich dich mit ekelhafter Monatsfreude zu 😉

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      1. Prinzipiell hasse ich alles. Aber wie das mit den All-Aussagen so ist, tragen die ihre Antithese in sich … oder so.
        Der April endet mit einem Geburtstag und eröffnet mit drei Weiteren. Das ist schlimmer als Weihnachten. Das ist körperlich anstrengender und verbrennt deshalb mehr Kalorien. 😉

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  3. mir ist der juni auch lieb und ich bin auch ein junikäfer und noch dazu ein sommersonnenwendenkind – da kann kaum was schief gehen diesen monat. geruch von erdbeerkuchen – hmmmmm. das war jahrelang mein geburtstagskuchen. warum hat das eigentlich aufgehört? da muss ich mal ein ernstes wörtchen mit der familie sprechen. dir einen schönen start in unseren lieblingsmonat 🙂

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  4. Ich bin eher ein Jahreszeitenmensch, glaube ich. Von denen mag ich allerdings auch die meisten gleichmäßig gerne. Mit meinem Geburtsmonat verbinde ich nicht so viel, wohl aber mit dem Frühling, den liebe ich. Und den Dezember tatsächlich. Die Adventszeit ist für mich immer wieder schön.

    Hab einen zauberhaften Junimonat, liebe Mitzi, mit wundervollen Momenten!
    Liebe Grüße!

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    1. Ich glaube bei mir spielt auch eine große Rolle, dass es im Juni endlich und dauerhaft warm wird. Unabhängig von Geburtstagen, die eh immer unwichtiger (oder gnadenloser) werden, ist es einfach ein schöner Monat. Frühling ist neben Juni unschlagbar. Dezember auch. Ach überhaupt….außer Mai… 😉

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  5. Liebe Mitzi!
    Ich freue mich für Sie, dass nun IHR Monat gekommen ist und wünsche Ihnen eine volle Hütte mit all Ihren Freunden, die mit Sicherheit jede Menge Geschichten zum Besten geben werden, die Sie uns anschließend wunderschön formuliert hier anbieten.
    Ich hoffe, Sie haben herrliche Junitage, die auch weiterhin nur mit schönen Erinnerungen verknüpft sind. 🙂
    Herzliche Sommergrüße von der Alm
    Mallybeau M. …. muuuh

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    1. Liebe Mallybeau,
      herzlichen Dank für die schönen Wünsche. Ich werde mein bestes geben und hoffe dass es sich um Anekdoten handelt die ich hier verwurschteln kann. Dramen braucht es kein.

      Liebe Grüße

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  6. Was mich an unserem gemeinsamen Geburtstagsmonat stört, liebe Mitzi, das ist nur die Zerrissenheit zwischen Frühling und Sommer. Da ich schon in der nächsten Woche dran bin, bin ich also im kalendarischen Frühling geboren. Nun schaut das Wetter auch entsprechend aus. Nach der Sommersonnenwende wäre das ja alles anders. Zugegeben habe ich auch schon meine Geburtstagstorten vor der Sonne gerettet und in den Kühlschrank gebracht, weil sie auf dem Gartentisch dahinzufließen drohten. Aber das war eher die Ausnahme.
    Heute ohne Garten,Torte etc.ist es eigentlich egal. Aber da bin ich wohl noch im alten Modus, ich möchte schönes Wetter haben (mitdemfußaufstapf) und dann den ersten Nachmittag in diesem Jahr, auf meinem kleinen Balkon sitzen und nur wenigen malerischen Wolken beim Ziehen zusehen. 😉

    Liebe Grüße,
    Silbia

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    1. Ich kann deinen Wunsch gut nachvollziehen. An diesem Tag braucht man keinen Regen und wenn, dann hat er gefälligst warm zu sein. Meistens hatte ich Glück, aber ganz sicher bin ich mir nicht – im nachhinein erinnert man sich ja eher an das schöne.
      Ich drücke dir ganz fest die Daumen für eine Schönwetterfront!

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  7. Volltreffer, liebe Mitzi!
    Für ein glückliches Leben ist der Juni wirklich einer der günstigsten Monate.
    Die anderen sind Juli, Januar, September, Februar, November, Mai, März, Juni, Dezember, April, August und Oktober…

    Einen wunderbaren Juni wünscht
    Lo

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    1. Schön, dass du sie in kreative Reihenfolge gebracht hast und ich erst mal nachzählte um zu sehen ob es einen, armen, verstoßenen Monat gibt.
      Gibt es nicht – die Chance auf ein glückliches Leben haben wir also alle und ich stimme dir da absolut zu!
      Ein wunderbares Jahr, Lo.

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  8. Da möchte man doch gleich ‚Jo mai‘ ausrufen, wäre das hier im Norddeutschen nicht völlig unangemessen. Mit zunehmendem Alter sind die Monate dann irgendwann völlig egal, man fragt nur noch nach dem gerade beginnenden… äh… zu Ende gehenden Jahr. Aber für den Juni spricht auf jeden Fall, dass er nicht so dramatisch überhöht daher kommt.

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    1. Mai Manfred, so weit sa´ ma ja auch nicht auseinander. ;).
      Auch ich merke schon, dass die Zeit sich anders zu rechnen beginnt.
      Dramatisch überhöht wird er erst wieder wenn die EM startet. Die mir übrigens immer reichlich ungelegen kommt.

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  9. was beneide ich immer alle leute, die im juni geburtstag haben. als dezembergeburtstagskind ist man einfach gestraft. es gibt nur einen richtig guten monat, in dem alles stattfindet, danach ist 11 monate flaute. dramatisch!

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  10. Großartig geschrieben, wie immer.
    Also dann – einen wirklich wunderbaren Juni wünsche ich.
    Herzliche Grüße,
    die Muschelfinderin (die sich schon immer danach sehnte, im Sommer – jetzt – Geburtstag zu haben, doch leider knapp vor Weihnachten liegt …)

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      1. Oh ja … alleine schon die vielen Sonnenstunden (hoffentlich), die lauen, langen Abende … die Möglichkeit, irgendwo ins Wasser zu springen … Herrlich.

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  11. Wenn man einmal anfängt etwas besondere Aufmerksamkeit zu schenken, dann fällt man auch einmal in die eigene Falle. Mein Rat: ab sofort alles Schöne was dir im Mai paßiert notieren, du wirst sehen, auch der Mai hat wunderschöne Seiten 🙂 Jede Zeit hat ihre Höhe- und Tiefpunkte. Köstlich geschrieben übrigens. Ich wünsche dir einen wundervollen Juni und wie wäre es nächstes Jahr mit einem schönen Maifest mit deinen Freunden ?

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    1. Du hast recht, Sylvia. Man fordert die selbsterfüllenden Prophezeiungen damit heraus. Und es gibt tatsächlich auch schönes im Mai. Ganz werde ich mich nicht mit ihm anfreunden, aber zumindest einen Waffenstillstand könnte ich ihm anbieten 🙂

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  12. Liebe Mitzi,
    den Mai magst Du nicht. Den Juni und Dezember magst Du? Nun ja, ich liebe auch den Juni, weil ich da alle meine Freunde zum feiern um mich habe. Bin ich doch auch im Juni geboren. Auch liebe ich den heimeligen Dezember mit Kerzenlicht. Aber ueberlege mal, auch Du hast sicher viel Positives in anderen Monaten erlebt. Du hast es nur weiter hinten in dein Gedaechtnis verschoben.
    Jedenfalls hast Du wieder mal eine wunderbare Erzählung abgeliefert, die einen jeden Leser in den Bann zieht. Fein nuanciert und Wortbilder verwendet, das ich ab sofort den Juni( war er ja schon) und den Dezember zu meinen Lieblingsmonaten zähle.

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  13. Des weiteren dürfen wir nicht vergessen:

    Multiplizieren wir den Juni, also den Monat 6, mit 2 … kommt 12, also Dezember, sprich Weihnachten heraus.
    Dividieren wir Weihnachten durch 2, so landen wir automatisch wieder beim Juni.

    Beachtlich … nicht?

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