Katze, Pasta, basta!

Meine Seele sitzt im Bauch. Nicht im Kopf, dort wäre es ihr zu unruhig und sie würde sich nicht wohlfühlen. Auch nicht in Armen oder Beinen, die ständig in Bewegung sind. Selbst im Herzen, wäre es ihr zu unruhig. Nicht nur wegen des ständigen Klopfens, auch wegen der kleinen Narben und Schatten, die ein erwachsenes Herz mit sich herumträgt. Etwas Staub und verheilte Wunden schaden einem Herzen nicht. Vernarbtes Gewebe macht es stärker und sorgt dafür, dass es nicht so leicht aus dem Takt zu bringen ist. Die Flecken zeigen, dass ein Mensch gelebt hat. Ein allzu sauberes und gänzlich unbeschadetes Herz in der Brust eines erwachsenen Menschen sollte misstrauisch stimmen. Ebenso natürlich ein dunkles und schwarzes Herz, dass nicht ausgeheilte Rissen und Wunden mit sich herum trägt. So ein Herz muss sich selbst heilen. Es hilft ihm vielleicht das gleichmäßige Pochen eines anderen Herzens zu hören, aber heilen muss es alleine. Auch die Augen wären kein schöner Ort für ein sensibles Wesen wie die Seele. Die ständige Reizüberflutung würde ihr zu schaffen machen und zugleich würde sie wohl darunter leiden, wenn die Augen im zu schnell verschlossen  werden oder der Blick sich im falschen Moment abwendet.

Im Bauch ist es ruhiger. Dieser Teil des Körpers strahlt eine angenehme Gelassenheit aus. Verborgen unter einer hübschen kleinen Speckschicht ist es warm und angenehm dunkel. Manchmal natürlich, meldet auch der Bauch sich. Er ist ein empathisches Wesen und ähnlich sensibel wie die Seele selbst. Wenn die Augen etwas sehen, der Verstand darüber nachdenkt, das Herz zu schnell pocht und Arme und Hände hilflos und  gehoben und nutzlosfallen gelassen werden, meldet auch er sich. Dann wird es im Bauch, nah bei der Seele auch kühler und sie spürt wie sich der Magen zusammen zieht und der Bauch es ihm gleichtut. Trotzdem hört man kaum von einem vernarbten oder gebrochenem Bauch. Für eine Seele ist es ein guter Platz. Irgendwo müssen diese paar Gramm ja Platz finden. Ihr Gewicht meint Duncan MacDougall mit 21 Gramm herausgefunden zu haben. Er muss sich geirrt haben. Meine Seele ist viel schwerer und wiegt gar nichts.

Ich würde nicht über sie nachdenken, hätte ich heute morgen nicht von Turgenjew die Novelle „Petuschkow“ gelesen. Ich werde sie schnell wieder vergessen, sie gefällt mir nicht. Ich mag keine Erzählungen in denen Männern kopflos lieben und sich lächerlich machen. Aber wie von jedem Buch und jeder Geschichte, wird etwas hängen bleiben. Bei Turgenjew  die Frage, wo er die Seele vermutet, wenn ein altes Weib sich einen Seelenwärmer über die Schulter werfen kann. Es ist ein ärmelloser Umhang gemeint, der den Rücken und die Schultern wärmt. Das käme Bauch und Brust gleichermaßen zu Gute. Eigentlich ist es mir egal, wo ein altes russisches Weib seine Seele herum trägt. Meine sitzt im Bauch und Seelenwärmer habe ich viele. Ein gutes Buch und eine Teller Nudeln mit Tomatensauce zum Beispiel. Oder ein Telefonat mit einem Freund und eine Wärmflasche. Manchmal auch die schwarze Katze, deren Ohren durch einige Kämpfe schon recht zerrupft sind. Sie eignet sich wohl am besten um Seele und Bauch zu wärmen. Legt man mich mit der Katze auf dem Bauch vor einen Kamin, bin ich nicht nur ordentlich gewärmt, sondern auch noch glücklich. Meine Seele scheint recht genügsam zu sein. Mein Bauch jedenfalls ist es. Wird er mit Nudeln in allen Variationen gefüttert, geht es ihm gut. Ab und zu ein nettes Wort und immer schön warm halten. Im Winter mit einer Tasse Tee und im Sommer einfach in die Sonne halten.

Wo genau meine Seele steckt weiß ich nicht. Ich bin mir nicht einmal sicher wie ich sie definieren würde. Dass ich aber ein Bauchmensch bin, scheint mir auf der Hand zu liegen. Schade. Ein Herzensmensch zu sein, klingt viel hübscher.

Obwohl…ich trage mein Herz auf der Zunge. Ein Herzensmensch zu sein, würde bedeuten auch ein Kopfmensch zu sein. Das bin ich nun wirklich nicht. Schluss mit Turgenjew! Er macht mich ganz wirr.

35 Gedanken zu “Katze, Pasta, basta!

  1. Schöne Gedanken. Ich glaube ich bin auch ein Bauchmensch – auch meine Seele wohnt in meinem Bauch. Aber man kann trotzdem ein Herzensmensch sein finde ich. Herz und Seele sind ja nicht getrennt voneinander. Und irgendwo spielt auch der Kopf/Verstand mit rein. Wenn alles einigermaßen abgesprochen und im Einklang läuft, ist man dann glücklich? Finde ich spannend. Ich denke da mal weiter drüber nach. Danke!

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    1. Die Chancen stehen jedenfalls ganz gut, wenn alles im Einklang ist. Ganz ohne Verstand geht es nicht und dem Herz kann ich gar nicht verbieten mitzuentscheiden. Der Bauch hat nur das letzte Wort…manchmal.
      Einen schönen Sonntag und liebe Grüße

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  2. Was für eine wunderbare Abhandlung über deine feine Seele, liebe Mitzi, worin ich auch noch was lernte. Von diesem Duncan MacDougall und seinen Experimenten, die Seele zu erwiegen, hatte ich erstaunlicher Weise nie was gehört. Ich stimme dir zu, dass die Seele wenn überhaupt im Bauch einen guten Platz hat (so auf der Höhe des Sonnengeflechts). Daher auch die Nähe zum Herzen. Zurecht sagen wir über einen, der herzlos/seelenlos agiert, er wäre verkopft. Ich bevorzuge das ganzheitlich Konzept Pestalozzis: Kopf, Herz und Hand, wobei Herz sicher das meint, was du Seele nennst. Nach Pestalozzi müssen die drei Bereiche ausgewogen und gleich gut entwickelt sein.

    Dankeschön! Das war eine feine Sonntagmorgenlektüre.

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    1. Also der Kaplan F., von dem wir seinerzeit auf die Erstkommunion vorbereitet wurden, der konnte uns ganz genau sagen, wo die Seele verortet ist: Direkt hinter dem Brustbein, etwa fünf Zentimeter oberhalb des Solar Plexus. (Und wenn es der nicht weiß, wer sonst?)

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    2. Das richtige Zusammenspiel von Herz, Verstand und Hand entspricht auch meiner Vorstellung eines ausgewogenen Lebens. Je nach Situation übernimmt eine der drei Komponenten die Führung.
      Die 21 Gramm faszinierten mich vor einigen Jahren. Auch wenn in meiner Vorstellung die Seele eines Menschen nichts körperliches ist und eher ein Begriff, der sein Wesen umschreibt, gefiel mir der Gedanke, dass es doch noch Phänomene gibt, die uns rätseln lassen. Sicherlich hat man mittlerweile geklärt um welche chemischen Prozesse es sich dabei handelt. Ich schlage es nicht nach. Mir gefällt die Vorstellung der 21 Gramm noch immer.

      Es freut mich, dass ich zur Sonntagmorgenlektüre beitragen konnte.
      Einen schönen Sonntag und liebe Grüße

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  3. Wie soll da einer wissen, ob jemand das Herz auf dem rechten Fleck hat, wenn es links schlägt aber auf der Zunge getragen wird, die Seele ihren Sitz im Bauch hat, gleich neben dem Bauchgefühl offenbar… dieses Knurren… war das dann vielleicht die Seele? Und erkennen sich Seelenverwandte am Bauchumfang?
    Ein schöner Text mit vielen hilfreichen Überlegungen, die mich völlig konfus zurücklassen.

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    1. Zwei Bäuche erkennen sich am Knurren. Zwei Seelen wissen wenn sie verwand sind und bei Herzen ist es egal ob sie links oder rechts schlagen, solange der Takt der gleiche ist.
      Lieber Manfred, du merkst ich kann nicht helfen. Ich bin ja selbst ganz konfus und konnte nur herausfinden wie ein russischer Seelenwärmer aussieht. (NIcht allzu hübsch, außer man mag Eichhörnchenbauchfelle.)

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  4. Ein wunderschöner Text! Ich weiß garnicht wo meine Seele sich am liebsten aufhält. Vielleicht ist sie frei und entscheidet spontan, je nachdem, wo es gerade am ruhigsten ist.

    viele liebe Grüße
    Rebecca

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    1. Ich weiß, Netti.
      Es bringt dir jetzt nicht viel, aber wenn hinter deinem Namen das Geburtsdatum steht, dann kann ich dir mit elf Jahren Vorsprung versprechen, dass es leichter wird. Einfacher wäre gelogen, aber ein Stückchen leichter wird es.
      Liebe Grüße

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      1. Hmm, okay. Dann gibt es also noch Hoffnung meinst du? Ich denk ich werde für immer ein Herzensmensch bleiben, und nicht klarkommen damit, Herzensmensch zu sein kann so anstrengend sein! Danke für deine Worte, liebe Mitzi!

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      2. Anstrengend bleibt es, aber es trägt sich ein wenig leichter. Das ist meine Erfahrung. Und obwohl es anstrengend ist, möchte ich kein Kopfmensch sein.

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  5. Ein sehr schöner Beitrag mit einer spannenden Frage. Der Bauch scheint mir als Sitz der Seele nicht zuletzt deshalb sehr geeignet, weil hier die verwertbaren Bestandteile der Nahrung von dem getrennt werden, was zur Ausscheidung bestimmt ist. Und diese Unterscheidungsfähigkeit ist doch auch bei den die Seele angehenden Angelegenheiten nicht belanglos. Da das Herz durch den Blutkreislauf mit jedem Winkel des Körpers verbunden ist, wird es der Seele im Bauch bestimmt nicht an Herzlichkeit mangeln.
    Dennoch: Meine Seele sitzt im Mund – eher unter als auf der Zunge. Und schmeckt nach Lakritze. Und Salz. 🙂
    [Apropos Gewicht: Die Vorstellung, dass jemand zum Seelenverkäufer geht und um zwei Deka Seele bittet ist kopfkinomäßig nicht gänzlich uninteressant.]

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    1. Fein geschrieben! Sehr fein!
      Lakritze mag ich nicht. Aber Salz ist mir lieber als Zucker :).

      Aus dem Seelenverkäufer kann man locker ein Sonntagnachmittag-Kopfkino machen. Solange es hell ist, ist die Vorstellung amüsant und interessant. Im Dunkeln schalte ich dann um ; )

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      1. Vielen Dank. So aus dem Stegreif wäre ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dem Sitz der Seele nachzusinnen. Vielleicht sitzt sie auch gar nicht, sondern wandert. Seelenwanderung, eben. Und meiner Seele würde ich glatt zutrauen, dass sie sich hin und wieder ein Blutplättchen schnappt und darauf kreuz und quer durch die ganzen Systeme surft. 🙂
        Man mag die Frage nach Sitz und Beschaffenheit der Seele für sinnlos halten, weil es eh keine verbindliche Antwort darauf gibt. Aber genau das ist ja auch schon eine Antwort, die man nicht einmal verstehen muss, um sie zu erfassen…

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  6. Ich denke man ist alles, je nach Situation: ein Kopfmensch, wenn die Seele aus den Tiefen der Emotionen hochgewandert ist zum Verstand um sich zu schützen, ein Magenmensch, wenn die Seele von dort Signale sendet, dann kribbelt es oder man fühlt einen dumpfen Knödel Mißmut und ein Herzmensch, dann wenn das Herz im Takt mit einem anderen schlägt oder man warm von einem ergreifenden Erlebnis übermannt wird.

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  7. Dein Text tröstet mich, liebe Mitzi!
    Entscheiden kann ich mich nämlich gar nicht gut. Der Kopf rattert immer mit und das Herz schlägt bis zum Hals. und seit fast eineinhalb Jahren sagt mir mein Bauch, dass das Leben doch ziemlich schwere Kost für ihn und mich ist und weigert sich seinen Dienst gewissenhaft zu tun.Sonst sagte man mir, dass meine Seele zeitweise in Gips läge und meine Kopfwelt samt Gefühl beeinflusst sind. Ja und nun bin ich dann doch ein Bauchmensch? Ich habe den Verdacht, die Seele lässt sich nicht festlegen auf einen Platz. Wenn es ihr an einer Stelle zu ungemütlich wird, dann wandert sie woanders hin… naja und irgendwann wandert sie ganz aus…
    Bis dahin pflege ich sie mit feinen Texten, Genüssen und lasse sie mit vielen anderen Dingen einfach mal baumeln… 🙂

    Beste Grüße,
    Silbia

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  8. Mich macht mein Tarot-Lehrbuch grad ebenso wahnsinnig, wie Dich der Turgenjew. Und über die Seele stand da auch was…so in der Art, dass die Seele (Bauchgefühl *grins*) immer weiß, wohin es gehen soll. Weil man ja doch öfter mal dazu neigt, zu sagen : “Ach hätte ich mal das und das gemacht, hierbei hatte ich ja von Beginn an ein schlechtes Gefühl”.
    WENN wir aber das tun, was die Seele will, heißt das nicht, dass das immer nur tolle, schöne und gute Sachen sind, sondern eben die Erfahrungen, die wir dann gerade brauchen, um zu wachsen. Außer Pasta und Katzen…da wachse ich automatisch – auch in die Breite.
    Ich wünsch Dir eine schöne Woche, liebe Mitzi ❤

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  9. Bauch und Herz sind wichtig, klar, in Sachen Liebe und Sex sowieso,

    aber was wäre denn, wenn wir Fußlos und Kopflos wären?!

    Für mich liegt der Sitz der Seele in den Füßen und dem Kopf,
    der Geist haust ja sowieso dort!

    Meines Erachtens werden Herz und Gedärm seelenmäßig völlig überbewertet…
    Und Sex und Liebe sowieso!

    Liebe Wintersonnengrüße vom Lu Finbar

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