Kopfstürme

Eine strahlende Sonne passt am besten zu mir, sagt einer meiner Freunde und ich lächle über das schöne Kompliment. Ich lächle bis er mich nicht mehr ansieht und ich nicht mehr lächeln muss. Das erloschene Lächeln juckt  in meinen Mundwinkeln und ich schließe die Augen, weil ich lieber an dein Lächeln als an mein eigenes denken möchte. Es gelingt mir nicht. Vielleicht weil du so selten gelächelt hast. Obwohl dein Gesicht die ganze Bandbreite an Emotionen ungefiltert wieder spiegelte, war ein Lächeln nur selten dabei. Dein Lächeln sehe ich nicht, aber ich höre deine Stimme. Die schönste aller Stimmen und die einzige Erinnerung die nicht verblasst. Ein spöttisches Lächeln würde zu dem passen was ich dich sagen höre. Eine Sonne, würdest du fragen, dabei den Kopf schütteln und dem Freund unterstellen, dass er mich schlecht kennt. Ein Herbststurm sei ich. Ein Schneegestöber oder ein Sommergewitter. Eine Naturgewalt. Unberechenbar und ein Schlachtfeld hinterlassend. Meine Freunde hätten dich für verrückt erklärt. Ich sei ein milder Frühlingstag, sagen sie. Auch, dass eine laue Sommernacht zu mir passt. Aber doch keine Unwetter. Für Unwetter sei ich doch viel zu klein. Ich werde nicht gefragt. Würde man mich fragen, ich würde mit den Schultern zucken und antworten, dass ich vielleicht der Sturm im Wasserglas an einem strahlenden Sommertag bin. Dann würden alle den Kopf schütteln. Meine Freunde und auch du.

Dass man mich für zu klein hält, hätte dich wütend gemacht obwohl du doch 32 Zentimeter größer als ich warst. Einen kleinen Menschen, hättest du nicht alleine zurück lassen können. Mich macht es noch immer wütend, dass du mich für groß und stark gehalten hast. Eine Naturgewalt. Was für ein Blödsinn. Meine Kraft hast nur du zu spüren bekommen, wenn ich dich aus deinem eigenen Sturm zurück ins Warme ziehen musste. Der Sturm war nicht ich. Ich stand nur mitten darin. Du hast es kaum gemerkt. Wenn es 32 Zentimeter weiter unten tobt und stürmt kann man sich getrost zurück lehnen und warten bis das Unwetter weiter gezogen ist. Ich habe die dunklen Wolken gerne für uns beide zur Seite geschoben. Mit dir im Rücken ging es ganz leicht. Seit du nicht mehr hinter mir stehst, ist es schwieriger geworden. Mein Kopf hängt in den Wolken fest. Über den Wolken scheint immer die Sonne. Ich weiß es, aber es hilft mir nicht. Ich bin zu klein um durchzustoßen.  Du sagst mir, dann solle ich mich eben ein wenig strecken. Streng dich an, bittest du mich und nimmst meine Hand. Nach Regen kommt Sonnenschein, sagst du und lächelst. Du lächelst  nur, wenn du sehr dumme Dinge sagst.

Ich lächle gar nicht mehr, korrigierst du mich und erinnerst mich an das, was ich weiß aber nicht wissen will. Du lachst noch, erwidere ich und halte dir denn Mund zu. Das kann ich, obwohl du längst nicht mehr hier bist. Seit du weg bist, habe ich das letzte Wort.

24 Gedanken zu “Kopfstürme

      1. Du schaffst es immer, dass ich ein richtiges Kopfkino habe….ich freue mich auf jeden Text von Dir!…angefangen mit Deiner Buchlistenbeschreibung, die immer noch in meinem Kopf ist.

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  1. Ich verstehe nicht was es ist das deine Worte mir so nah sein lässt. Die Gefühle die du ansprichst kommen von ganz tief drinnen obwohl ich Ihnen weder Zeit noch Ort noch Mensch zuordnen kann.

    So, für heute verabschiede ich mich vom Marathonlesen. Aber ich freue mich schon auf die nächste Gelegenheit. Ich glaube, wenn mich künftig jemand nach meinem/r Lieblingsautor/in fragt werde ich wohl sagen müssen: das ist die Mitzi aus München. Wie sie das macht weiß ich auch nicht, es muss irgendwas mit Magie sein.

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