Als wir Robbie Williams in die Wüste schickten

So vieles wird geschrieben. Banales, Kluges, Nützliches und sehr viel Dummes. Fragt man diejenigen, die nur um des Schreibens willen schreiben, wie sie dazu gekommen sind und wann sie damit begonnen haben, erfährt man meist hübsche Anekdoten oder interessante Begebenheiten. Auch ein Blick ins Editorial oder die Rubrik „über mich“ eines Blogs lohnt. Häufig beantwortet er die Frage, wie es begonnen hat. Das Schreiben.
Bei mir nicht. Bei mir kann man sich den Klick auf den „Mitzi“ Reiter getrost sparen. Da steht nicht viel. Aus gutem Grund. Wer mich fragt, wie ich zum Schreiben gekommen bin, erhält eine so bescheuerte  Antwort, dass er seine Neugier schon Sekunden später  bereut. Tut es trotzdem einer, kann ich kann darauf nur antworten, dass ich im Internet auf der Suche nach einer lebensgr0ßen Pappfigur von Robbie Williams war.

Damit sollte ich es dann auch belassen. Es ist ja schon schlimm genug, zugeben zu müssen, dass man in seinem Leben schon einmal auf der Suche nach einer 1,85 m großen Robbie Williams Pappfigur war. Es wird nicht besser, wenn man dann ergänzen muss, dass man halbe Romane über Robbie Williams geschrieben hat. Endgültig ins Aus schießt man sich, wenn man ergänzt, dass man es in einem Robbie Williams Fan-Forum getan hat. Pappfigur-Verkäuferinnen gab es in diesem Forum nicht. Es fand sich dort aber eine Rubrik mit Erzählungen. Geschichten jeder Art lockten mich schon immer. Die drei oder vier, die ich dort überflogen hatte, fand ich jedoch schrecklich. Nicht naja oder geht so,  sondern grausam. Auch hier hätte es noch enden können. Hätte. Bei mir fing es dann erst an.  Es dauerte keine Stunde, bis ich mich im Forum angemeldet hatte und selbst eine Geschichte zu schreiben begann. Der erste Satz den ich öffentlich ins Forum klatschte, lautete: „Kreischende Robbie Williams Fans sind so ziemlich das Dümmste, auf das man im www stoßen kann.“ Für das Anmelden brauchte ich eine Stunde. Um in der intimen Fangemeinschaft von mehreren tausend Frauen zur Persona non grata zu werden, nur knappe fünf Minuten. Nichts qualifizierte mich dazu plötzlich Erzählungen zu schreiben und online zu stellen. Ebenso wenig qualifizierte mich über Robbie Williams zu schreiben. Ich wusste kaum etwas über diesen Kerl und kannte maximal eine Handvoll Lieder. Mangelnde Qualifikation sah ich damals nicht als Hindernis, sondern als Herausforderung. Mit erschreckender Arroganz setzte ich mich hin und begann einfach darauf los zu schreiben.

Der erste Satz blieb stehen. Ihm folgten eine etwa 150 Seiten lange Erzählung, von der ich jeden Abend ein Kapitel online stellte. Ich wollte ehrlich bleiben…es war keine Erzählung, sondern das was man heute als „Fan Fiction“ bezeichnet. Denn eigentlich – jetzt ist es eh schon egal – fand ich diesen Typen optisch unglaublich ansprechend. Die Seite gibt es nicht mehr ich bin nicht traurig darüber. Es wäre mir doch sehr peinlich, wenn jemand nach einem Pappaufsteller sucht und über meine erste Geschichte stolpern würde. Denn sie ist schlecht. Nicht naja oder geht so, sondern einfach nur grottenschlecht. Nur ich selbst kann sie noch mögen. Mit verklärtem Blick, bleibt sie – von unzähligen Tagebüchern abgesehen – das erste was ich geschrieben habe. Es folgten zwei weitere Erzählungen. Beide gut zweihundert Seiten lang. Unnötig zu erwähnen, dass man sie leicht auf Viertel der Länge hätte kürzen könnte, ohne das Wesentliches verloren gegangen wäre. Sie entstanden während des Schreibens und unter dem Einfluss der Kommentare unter jedem online gestellten Kapitel. Kommentiert wurde viel und es wundert mich noch heute, dass sie mich nach dem unverschämten Auftakt nicht  rausgeschmissen haben. Ich durfte bleiben.

Mitglieder des deutschen Robbie Williams Fanclubs betreffend, hielt ich mich fortan zurück. Wahre Perlen habe ich dort gefunden. Fantastische junge Frauen mit denen ich zum Teil noch heute befreundet bin. Und schreiben konnten sie. Herrlich! Der Popstar war nur Mittel zum Zweck. Oberflächlich betrachtet hat er uns damals gefallen. Von oben bis unten tätowiert und wild kopulierend war er das Gegenteil der Männer, neben denen wir morgens aufwachten. Kaum eine von uns hätte ihn gerne auf dem Sofa sitzen gehabt. Aber als Protagonist einer Vielzahl an Erzählungen war er perfekt.  Ein paar Duzend von uns zogen einige Zeit später in ein eigenes Forum um. Dort schrieben wir weiter. Wir schrieben uns den Mann und sein Umfeld so, wie wir es gerade wollten. Das Lächerliche des Originals wurde weggeschrieben, er wurde interessanter gemacht, bekam Tiefgang und Konturen. Außer der äußeren Hülle blieb nicht viel über. Wir schickten ihn in die Wüste, auf einsame Inseln und in andere Zeiten. Oft war er kein Popstar mehr. Trug einen anderen Namen oder verschwand völlig. Wenn er blieb, dann nur noch als roter Faden.Wir erzählten uns Geschichten, die mir auch heute noch gefallen.  Zwischen den Zeilen spiegeln sie so vieles, was uns damals ausgemacht hat.

Über fiktive Liebesgeschichten (mit Popstar) tragisch, romantisch, erfüllt oder unerfüllt müssen wir kaum noch schreiben. Mittlerweile haben wir sie (ohne Popstar) bereits erlebt oder schlagen drei Kreuze dass der Kelch  an uns  vorbeigegangen ist. Manche von uns schreiben noch immer. Anderen fehlt die Zeit und die Lust. Aber sie können es alle noch, die Mädels von damals. Die Perlen. Wirf ihnen eine Handvoll Worte hin und sie erzählen dir eine wundervolle Geschichte. Zeit sollte man sich dann aber nehmen. Wer das Erzählen von Geschichten anhand von Robbie Williams geübt hat, der kann aus jedem x beliebigem Worthaufen etwas lesenswertes zaubern.

Und bevor sich die Frage stellt…selbstverständlich stand ich jahrelang auf den Konzerten in der ersten  (und nur dort) Reihe. Aus Recherchezwecken.

46 Gedanken zu “Als wir Robbie Williams in die Wüste schickten

      1. Verwirr mich jetzt nicht,DER Kommi war für kinder unlimted gedacht.Hab’ich den irgendwo falsch plaziert?.Wenn du nicht musst dann musst du nicht.Ich muss nicht.

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  1. Bleibt die Frage, was ist aus dem Pappaufsteller geworden?. Steht der heute neben dir wenn du schreibst, ab und zu ein Seitenblick zu ihm und dann gehts weiter mit den Worten. Wenn ihr Frauen euch trefft steht er dabei, wacht über euch und führt euch zurück in die Vergangenheit? 🙂

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    1. Glaubst du mir, wenn ich sage, dass er nie für mich bestimmt war? 😉
      Als ironisch gemeintes Geburtstagsgeschenk für eine Freundin wurde er letztendlich nie gekauft. Mein Freund weigerte sich, für das Ding nach Leverkusen zu fahren. Er drohte mit der Beendigung unserer Beziehung wenn ich das Thema weiter vertiefen würde.

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  2. Du bist offenbar ein erzählerisches Naturtalent, liebe Mitzi. Dass du so lebendig und locker schreiben kannst, geht vielleicht auf den, verzeih, banalen Erzählanlass zurück. Lichtenberg schreibt: „Die Neigung der Menschen, kleine Dinge für wichtig zu halten, hat schon viel Großes hervorgebracht.“ Grad wollte ich schreiben, Gut, dass du dich thematisch freigeschwommen hast. Stimmt hier aber gar nicht. Du schreibst ja noch immer über den Pappkameraden 😉 Was jedoch stimmt: Du gehörst zu den erfreulichen Erscheinungen auf dieser Plattform. Ich lese deine Texte gern und danke Williams Robbie seine Pappfigur!

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    1. Nicht so streng, lieber Jules. Herr Williams rutscht mir noch selten zwischen die Zeilen ;-).
      Aber du hast recht. Auch ich bin in diesem Fall sehr froh, vom Thema abgekommen zu sein und mich anderem zuzuwenden. Das Kopfkino und die Flüchten aus dem Alltag waren herrlich. Man vergisst darüber nur zu schnell, die Aufmerksamkeit auf das Reale zu lenken. Das echte Leben ist nicht immer schön. Aber am Ende erzählt es die besseren Geschichten.
      Mir bleibt, mich für das Kompliment zu bedanken. Danke!

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      1. Hab doch nur Spaß gemacht. Jedenfalls ist das die verrückteste Geschichte über den Grund fürs Schreiben, die ich je gelesen habe. Gibt es die Robbie-Williams-Texte noch? Die zusammenzustellen wäre ein hübsches Literaturprojekt.

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      2. Meine habe ich alle noch. Heute Nacht hab ich einen davon gelesen. Kennst du „Die Wand“ von Marlene Haushofer? Das Buch begleitet mich schon ganz lange und die Frage „stell dir vor du bist plötzlich der einzige Mensch auf der Welt“ war auch bei mir das Thema. Beim nächtlichen Lesen war ich erleichtert, dass schon damals kein Popstar mehr darin vorkam.

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      3. Den Film kenne ich nicht. Ich wollte mir das Buch nicht versauen lassen.
        Streich den Pappaufsteller und ersetze ihn durch einen beliebigen Menschen. Ich fand damals den Gedanken grausam, nur noch einen einzigen Menschen um sich zu haben ohne ihn sich aussuchen zu können.

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      4. Der Münchner Autor Herbert Rosendorfer lässt in seinem phantastischen Roman „Großes Solo für Anton“ (1971) alle Menschen außer dem Protagonisten versteinern. Er redet dann ab und zu aus Not mit solchen Skulpturen. Was passiert in deinem Text? Mir scheint, der geht inhaltlich aber schon weit über Robbie äh Dingens hinaus, wenn das von dir „grausam“ genannte Problem im Vordergrund steht.

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      5. Als ich das schrieb, ging es mir nicht gut. Ich war von meinem Umfeld überfordert und hätte mir am liebsten dafür Monate die Decke über den Kopf gezogen. Stellvertretend habe ich eine junge Frau in eine ausgestorbene und leere Welt geschickt. Anfang macht es ihr Angst, dann gefällt es ihr. Sie muss sich nur noch mit einer einzelnen weiteren Person auseinander setzen. Und selbst die möchte sie am Ende nur noch loswerden. Im Forum dichtet ich eine Liebesgeschichte zusammen. In der Variante, die ich parallel für mich geschrieben habe, kam sie nicht vor. Es ging um den Wunsch alleine zu sein und dann an der Einsamkeit zu scheitern.
        Am Ende macht die Frau in meiner Geschichte die Augen auf, ist wieder zurück in der normalen Welt und macht genau da weiter, wo sie Monate zuvor aufgehört hat. Ich damals nicht. Mir wurde die Entscheidung abgenommen, als mein Freund sich trennte.

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  3. Ich hab so dermaßen Pippi in den Augen und Bauchweh vor Lachen…ich glaub, ich muss mal mit Sport anfangen …wegen Mitzi …und wegen Robbie…und überhaupt…*immer noch Tränen lach*…meine Tochter hat Fanfiction geschrieben…als sie 14 war…ich hoffe sie bloggt irgendwann so toll wie Du 🙂
    Danke und schöne Freitagsgrüße

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  4. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, mir mit einem Edding „chacun a son gout“ auf meine (zugegeben: schmale) Brust zu schreiben, als eine Exfreundin plötzlich anfing, sich Konzert-DVDs von Robbie Williams zu kaufen, obwohl ihr sonstiger Musikgeschmack eigentlich nicht dazu paßte. Glücklicherweise beschlich mich die Ahnung, daß da noch irgendwas anderes sein mußte, irgendeine animalische Ausstrahlung, mit der ich nicht konkurrieren konnte – so schnell wäre ich die Eddingtinte nicht wieder losgeworden, ich hätte wochenlang nicht mehr schwimmen gehen können. Ich beruhigte mich dann mit dem Gedanken, daß ich meine Freundin trotzdem liebte, obwohl ich die Szene mit Wohlgefallen sah (und auch nicht vergaß), als Halle Berry in dem einen Bond-Film langsam aus dem Wasser kam und zum Strand ging … den Film habe ich übrigens nur zu Recherchezwecken angeschaut, auch und gerade als Intellektueller muß man sich über die Populärkultur informieren, ich bin da nicht hochnäsig. Den großen Flachbildfernseher habe ich übrigens aus dem gleichen Grund angeschafft, ist ja klar – und wenn ich biertrinkend davor sitze, dann nur, weil es sonst nicht zu ertragen ist. Manchmal muß man Opfer bringen.
    Hast Du mal – aus Versehen natürlich – auch gekreischt, als Du in der ersten Reihe standst?

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    1. Nein!
      Ganz ehrlich, nein! Ich kreische nicht. Nie (lassen wir Spinnen außen vor). Auch oder gerade nicht, beim Anblick eines Mannes. Und das man im Internet ein Video von mir finden kann, auf dem ich….Mist, ich sollte das endlich mal richtig stellen. Aber wie du richtig schreibst, man muss Opfer bringen, um zu verstehen oder zu ertragen.
      Eine schöne Vorstellung, die Edding Malerei. Ich muss gestehen, dass ich die Tätowierung noch heute recht gut finde. Da wo sie ist. Hätte mein damaliger Freund….dann eher nicht. Es finden sich nicht zufällig zwei Schwalben auf deinem Bauch?

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      1. Auf keinen Fall! Das kann eine böse Falle sein: So zwei niedliche Schwalben können sich, besonders bei Männern mit vorwiegend sitzender Tätigkeit und ohne große Lust auf Sport, in zwei wohlgenährte Enten entwickeln. Wenn man dann in der glücklichen Situation ist, sich zum ersten Mal einer Angebeteten mit freiem Oberkörper zu präsentieren, ist es doch sehr bitter, wenn sie beim Anblick der Vögel eher Gelüste nach einem asiatischen Gericht süß-sauer bekommt als nach dem, was man eigentlich erwartet hatte. Also, Männer: Macht das nicht!

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