Rotwein gegen dreiste Dämlichkeit – funktioniert!

Seit 1973 ist die Kuppelei in Deutschland kein Straftatbestand mehr. Unter Freunden und Kollegen galt es wohl auch schon zuvor (zu unrecht)  als Kavaliersdelikt. Dort entspringt es in der Regel falschem Mitgefühl gepaart mit einer großen Portion Dämlich- und Dreistigkeit. Die Dämlichkeit beginnt damit, dass einem allein durchs Leben gehenden Menschen ab 30 grundsätzlich unterstellt wird, dass er unglücklich zu sein hat. Frauen über 35 die nicht verzweifelt sind, werden misstrauisch beäugt. Hinter einem fröhlichen Lachen wird dann krampfhaft nach Anzeichen von Frustration gesucht und dem guten Rotwein in der Hand einer mittelalten Frau wird vorgeworfen, dass er vorrangig zur Kompensation einer vermeintlichen Einsamkeit dient. Das hat er nicht verdient. Der Rotwein. Und die Frau auch nicht.

Mein liebstes, dämliches Exemplar ist ein entfernter Bekannter, dem ich seit gut fünfzehn Jahren immer wieder  über dem Weg laufe. Seit unserer ersten Begegnung bei gemeinsamen Freunden verstecke ich mich, sobald er den Raum betritt unter Tischen und hinter Vorhängen. Zwecklos. Seine zu hoch getragene Nase wittert mich sofort und er kriecht mir hinterher. Warum eine so attraktive und intelligente Frau noch alleine ist, möchte er wissen. Meine Antwort interessiert ihn nicht. Noch bevor ich den Mund öffnen kann, legt er mir die Hand auf den Unterarm und verzieht das Gesicht zu einer mitleidigen Grimasse. Er würde es nicht verstehen, sinniert er, ich sei doch ganz hübsch. Ganz hübsch? Also, bitte! Ich bin umwerfend. Mindestens. Spätestens an dieser Stelle ist mein Glas – egal wie voll es eben noch gewesen war – leer. Der Dämliche trägt auch in Phasen glücklicher Zweisamkeit zu einem erhöhten Alkoholkonsum meinerseits bei. Dann, wenn er sich zwischen mich und meinen Freund drängt und uns jovial feixend darauf hinweist, dass meine innere Uhr ticken müsste und wann es denn bei uns nun endlich soweit sei. Zum Glück sind alle meine Partner mit einem robusten Humor gesegnet. Der Letzte bedanken sich todernst für den Hinweis, nahm mich bei der Hand und informierte den Dämlichen, dass man sich sofort an die Umsetzung machen würde.

Mein enger Freundeskreis ist gottlob nur selten dämlich und frei von jedem falschen Mitleid. Wir kennen uns seit Jahrzehnten und jeder für sich weiß um die Vor- und Nachteile der verschiedenen Beziehungsstatus. Dreist sind sie dennoch. Unverschämt dreist. Oder doch wieder dämlich. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass man mir einmal Lars aufs Auge drücken wollte. Lars, der frisch Geschiedene. Lars, der Leidende, der die Einsamkeit der eigenen vier Wände nicht mehr ertrug. Und Lars, der sich seit dem Auszug seiner Frau in einer Phase des rapiden körperlichen Verfalls befand. Dieser Lars wurde mir mit den Worten „der könnte dir gefallen“ auf den Schoß gesetzt. Fast auf den Schoß gesetzt. Denn trotz der etwa 15 Kilo, die er nach der Scheidung zugenommen hatte, schaffte er es, sich auf dem engbesetzten Sofa neben und nicht auf mich zu setzen. Als Mutter Theresa bin ich denkbar ungeeignet. Lars musste es feststellen, als ich auf seine gemurmelte Frage, was denn falsch an ihm sei, nicht antwortete, sondern nur auf seinen angeschmutzten Hemdkragen deutete. Ich sah ihn lange an, lächelte aufmunternd und verzog mich dann in die Küche um….man ahnt es…mein Glas zu füllen.

Völlig verkupplungs-resistent bin ich aber nicht. Gute Freunde wissen, dass es ausreicht, mich darauf hinzuweisen, dass ein Mann am Wahnsinn balanciert, beziehungsunfähig und gegen weibliche Reize immun ist, um mein Interesse zu wecken. Dann schnapp ich mir mein Glas, quetsche mich auf ein Sofa oder einen bereits überfüllten Balkon und strahle den Kerl an. Ich frage ihn dann ob er wirklich so ein selbstgerechter Idiot sei, wie man mir eben berichtete. Meine letzte Beziehung begann mit der Antwort „Noch viel schlimmer“ und einem umwerfenden Lächeln.
Im Laufe des Abends stellte sich heraus, dass auch er den Dämlichen kennt. Besser als ich und ebenso penetrant von ihm verfolgt. Zum letzten Geburtstag bekam er von ihm einen Spaten geschenkt. Auf das er wenigstens einen Baum pflanzen könne. Wenn Haus und Sohn schon ausblieben. So war er der arme, dämliche Kerl am Ende doch noch zu etwas gut. Gemeinsam jemanden unausstehlich zu finden, verbindet zwei fremde Menschen unheimlich schnell.

Lars habe ich auch noch öfter getroffen. Seit er sich wieder aufgerappelt und ich mich entschuldigt habe, verstehen wir uns recht gut. Wir treffen uns meistens in den Küchen unserer Freunde bei Geburtstagsfeiern. Wenn ich vor Dämlichen und Dreisten flüchte, steht er da und schenkt mir wortlos ein Glas Wein ein. Meistens wird der Abend dann ganz nett.

23 Gedanken zu “Rotwein gegen dreiste Dämlichkeit – funktioniert!

  1. Wenn Du das dringende Bedürfnis verspürst, Dein Glas zu leeren, wenn Du dämliche Leute triffst, dann musst Duden Rotwein ja nicht unbedingt trinken. Und Rotweinflecken auf der Kleidung von dämlichen Leuten gehen, soweit ich weiß, mit Salz wieder raus.

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    1. Es wäre aber doch schade, um den guten Wein ;-).
      Am Rande…keine Sorge, wir sprechen von Gläsern und nicht von Flaschen, die ich leere. Bei Gefahr des übermäßigen Konsums, greife ich auf deine Variante zurück!

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  2. dass ich am wahsinn balanciere ist nicht zu leugenen … dass ich nicht jedem rock nachsteige hat sich auch inzwischen glaubhaft verbreitet … und mit meiner beziehungsunfähigkeit werde ich sicher nie mehr hausieren gehen … das ging gründlich schief … die letzte dame machte sich den gegenbeweis zur aufgabe … heiratete mich … machte also sicher nicht nur mich … sondern auch sich selbst unglücklich … ach scheiße … manchmal sollte man 8n) einfach tun … als gehöre man zu den dämlichen … zur not einfach wieder saufen … ach egal … have a nice day …

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  3. ich ziehe ein Glas Wein auch einem langweiligen Kerl vor 😉 ….das sind dann die Momente, in denen Frauen als schwierig eingeschätzt werden…..das war ein wunderbarer Text….irgendwie ein Form von tinder dating in slow slow slow slow motion ohne app….ich denke, ich schweife ab…LG Ann 😉

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      1. da habe ich bei Dir keine Sorge, ich sah nur neulich einen Bericht bei arte….das fiel mir nur dazu ein ;-)…ich würde sagen, wir trinken die Flasche lieber 😉

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  4. Nach dem lesen von Feldlillien ihren Blog kann ich mich nicht mehr auf obere Körperhälften konzentrieren, verdammt, und mit Rotwein wird das bestimmt noch schlimmer.

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  5. Zum eingangs erwähnten Kuppeleiparagraphen: Hotelbesitzer machten sich strafbar, wenn sie Unverheirateten ein Doppeltzimmer vermietet haben, desgl. Eltern, die ihrer Tochter erlaubten, alleine mit ihrem Freund auf einem Zimmer zu sein. Ich habe das noch erlebt. Es war so schwierig,wenn ein junges Paar mal alleine sein und dabei ein Dach überm Kopf haben wollte. Sogar am Kino achtete man darauf, dass Paare sich nicht in der Loge miteinander vergnügten. Dann wurde im Kinosaal einfach das Licht angemacht, und die Erwischten waren schuld, wenn der Film unterbrochen war. Die landläufig als Kuppelversuche bezeichneten Verhaltensweisen sind gewiss auch lästig, besonders wenn sie dich treffen, liebe Mitzi. Eine Frau, die ihre Freiheit liebt, ist eben noch immer ungewöhnlich.

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  6. Wenn ich jedes Mal zu Rotwein greifen würde, wenn mir Dämliche und Dreiste begegnen, müsste ich teilweise schon morgens damit anfangen.
    Doch du hast natürlich absolut recht, wenn man als Frau alleine auf Partys oder in Kneipen geht, gilt man entweder als Freiwild oder bemitleidenswert und da ist es natürlich enorm hilfreich, wenn man ein gutes Glas Wein zur Hand hat. Sieht auch wesentlich cooler aus, anstatt stundenlang als Baum, tief in den Bauch atmend, in einer wildfremden Küche zu stehen (Oooohmmm). Wie immer, sehr cooler Text.

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  7. Wenn man als Mann längere Zeit keine Freundin hatte, machen die Dämlichen gern Bemerkungen und Anspielungen, ob man nicht vielleicht doch vom anderen Ufer … also, nicht, das man was dagegen hat, ist doch normal heutzutage, und wenn man aufpaßt, wegen Aids und so, ist doch kein Problem, nur, daß jemand nicht dazu steht, das ist ja sowas von gestrig, das kann man doch ruhig zugeben usw. Wenn man den Fehler macht, das zu verneinen, macht man sich sofort noch verdächtiger – hätte man sonst einen Grund, sich gegen etwas zu „verteidigen“, was doch ganz normal und gar nicht als „Angriff“ gemeint gewesen ist? Usw. – her mit dem Rotwein!

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    1. Egal was du antwortest, über diese Mauer im Kopf kommt man nicht drüber. Würde die Vermutung (ernsthaft oder aus genervtheit) bejaht, würde ein solches Gespräch andere, nicht minder dämliche, Wendungen nehmen.
      Ich schenke uns mal großzügig ein!

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